Nur eine Woche nach den Formel-1-Rennern kommen die richtig dicken Brummer in die Eifel. Die Helden der schwankenden Führerhäuser beim 28. Truck-Grand Prix am kommenden Wochenende haben bis zu 1.200 PS in ihren Monstern zu bändigen. Und die Zuschauer haben ihre Freude daran. Auf und neben der Strecke.Die ersten Trucks waren am Sonntag schon zu sehen, als die letzten Töne der Siegerehrung verklungen waren und die Spuren der Vettel’schen Schampus-Orgie beseitigt wurden. Die aber hatten eine andere Aufgabe als ihre „großen Brüder“ am kommenden Wochenende. Sie sollten in ihrem voluminösen Bauch einfach nur die Überreste des Formel-1-Zirkus aufnehmen und zur nächsten PS-Kirmes transportieren.
Am Wochenende tun es beim 28. Truck-Grand-Prix auch die Führerhäuser. Darunter arbeiten gewaltige Sechszylinder-Diesel mit mehr als 1.000 PS. Über die hoch frisierten V8-Motoren von Renault, Ferrari, Mercedes und Cosworth aus der Formel 1 können die Herren Hahn, Körber, Albacete und Co. nur müde lächeln. So ein Race Truck, der mit dem cw-Wert einer Doppelhaus-Hälfte über die GP-Strecke hastet, quietscht und faucht, stellt die Leistung der Dienstwagen aus der Vollgas-Branche vom Wochenende in den Schatten.
Der „Trucker“ ist zwar in erster Linie Show, Spektakel, Szene-Treff und Industrie-Schaufenster, aber er ist eben auch „richtiger“ Motorsport. Die mehr als 40 Teilnehmer fahren im Rahmen der Truck-EM und des ADAC Mittelrhein-Cup. Der Szene-Gipfel in der Eifel ist seit fast 30 Jahren das Nonplusultra der Truck- und Country-Liebhaber. Zehntausende werden auch in diesem Jahr von Freitag bis Sonntag in der Eifel erwartet.
Der Besuch beim „Trucker“ ist auch das Ausleben einer ganz persönlichen Daseins-Philosophie: Er mit Lederklamotten, breitkrempigem Hut und Biber-Schwanz. Sie mit geschnürter Leder-Korsage und High Heels. Dazu Stunts auf heißen Reifen und jede Menge abendliche Wildwest- und Brummer-Nostalgie vor mächtigen Bühnen. „Top Act“ ist in diesem Jahr neben der „Hermes House Band“ am Freitagabend in der Müllenbachschleife – Nena. Die mittlerweile 53-jährige Rock-, Country-, Folk- und Popröhre wird mehr als nur 99 Luftballons in den Eifelhimmel aufsteigen lassen. Kein Wunder, dass der veranstaltende ADAC von „Europas größtem Country-Festival“ spricht.
Truck-Racing stammt eigentlich aus den USA. Der Truck-Grand-Prix auf dem Nürburgring ist einer von insgesamt elf Läufen zur Truck-Europameisterschaft. Die Fahrzeuge (Race-Trucks) müssen bestimmte Bauteile und technische Voraussetzungen aus Lkw vorweisen, die für den Straßenverkehr zugelassen sind. Die stärksten Motoren haben fast 13 Liter Hubraum, 1.250 PS und 6.000 Newtonmeter Drehmoment. Gefahren wird auf Renn-Strecken von Russland über die Türkei und Italien bis Spanien. Vertreten sind Fahrzeughersteller wie MAN, Mercedes, Volvo, Iveco, Renault oder DAF. Der erste „Trucker“ auf dem Nürburgring fand 1986 statt. Schon damals kamen mehr als 70.000 Zuschauer. Seitdem wird das Konzept, eine Mischung, aus Motorsport, Show und Countrymusik beibehalten. Weitere Infos (Preise, Anreise, Camping, Service) unter www.truck-grand-prix.de.
Den Ton geben auf der Rennstrecke Europameister Jochen Hahn aus dem Schwarzwald auf seinem MAN, Altmeister Gerd Körber (Iveco), oder die ehemalige DTM-Pilotin Ellen Lohr (Mercedes-Benz) an. „Miss Ellie“ hat wie viele ihrer ehemaligen Formel-1-Kollegen am Nürburgring einen nicht zu unterschätzenden Standort-Vorteil. Sie stammt als Mönchengladbacherin vom Niederrhein. Fünf Tonnen Stahl mit Hilfe von fast 1.250 PS innerhalb von fünf Sekunden von Null auf die abgeriegelte Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h empor zu katapultieren – da jubeln die Magenwände! Und die Helden freuen sich.
Text: Jürgen C. Braun
Fotos: ADAC, Jürgen C. Braun