Liebe Leserin!
Lieber Leser!

Zuweilen kommt es vor, dass auf offiziellen Terminen (mit) der Auto-Presse noch ein Nebensatz den offiziellen Statements hinterher geworfen wird, dessen Bedeutung sich erst etwas später erschließt. So erging es mir auch in der vergangenen Woche, als Opel die Gelegenheit anbot, seine neuen Diesel- und Benzinmotoren in den entsprechenden Fahrzeugen in der Nähe des Rüsselsheimer Stammwerkes zu testen. Einher gehen mit diesen Praxistests in der Regel auch theoretische Informationen, in denen die Entwicklungsingenieure darlegen, was sie zu Beginn ihrer mühsamen Detail-Arbeit im Lastenheft vorfanden und wie sie schließlich den Spagat zwischen Wünschenswertem und Machbarem hingelegt haben.

Bei eben jenem Termin haben die Kollegen der Opel-Presse noch „einen ganz kleinen Ausblick“ (Zitat) auf den „rund erneuerten“ Insignia gegeben, der auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) im September in Frankfurt erstmals gezeigt werden soll. Der Insignia bildet im Moment den Abschluss des Opel-Portfolios nach oben. Die deutsche GM-Tochter gibt also keine Ruhe. Allen schlechten Nachrichten, allen teilweise erschreckenden Bilanzen der vergangenen Jahre zum Trotz, gibt sich das traditionsreiche Unternehmen (noch) lange nicht geschlagen.

Es ist im Moment schon seltsam mit der Marke Opel. Als dieses Haus, das aus der Geschichte des Automobils nicht weg zu denken ist, im vergangenen Jahr sein 150-jähriges Jubiläum feierte, da wussten die eingefleischten Opelaner nicht so recht, was sie machen sollten: Der langen Historie und den Verdiensten eines großen deutschen Unternehmens ein paar dicke Krokodilstränen nachweinen oder mit dem Mute der Verzweiflung auf die „neuen Pferde“ setzen. Wenn etwas Hoffnung macht, dann sind es die aktuellen Produkte:
Der pfiffige SUV Mokka bricht mit bisher rund 100.000 Vorbestellungen Absatzrekorde. Bis zur Auslieferung muss der geneigte Kunde mindestens bis Januar 2014 warten. Der farbenfrohe Lifestyle-Yuppie ADAM (sprich Ädäm) fährt sich in die Herzen der Klientel von heute. Und damit wohl auch in den Kundenkreis der kommenden Jahre und Jahrzehnte. Mit dem neuen Mittelklasse-Cabrio Cascada scheint zudem nicht nur wegen seines antiquiert-liebevollen Stoffdachs formal ein echter Wurf gelungen zu sein. Vor allem: Der Cascada profitiert von der neuen Motoren-Generation, die Opel bis 2016 sukzessive einführen will.

Als Opel zu seinen denkbar schlechtesten Zeiten scheinbar nur noch der Weg zwischen Insolvenz und Verkauf zu bleiben schien, äußerte sogar der allgewaltige Ferdinand Piëch, seines Zeichens Chef des Aufsichtsrates im Hause Volkswagen, die Hoffnung, „dass dieser Wettbewerber nicht vom Markt verschwinde.“ Und Piëch gilt gemeinhin nicht als Meister ausgelassener Sentimentalität. In Rüsselsheim gaben sich in den vergangenen Jahren die Vorstands-Vorsitzenden die Türklinke in die Hand. Das soll jetzt unter dem neuen Chef Karl-Thomas Neumann, der erst einige Monate im Amt ist, anders werden.

Die Hoffnung scheint nicht unbegründet, auch wenn Opel unter dem Schicksal der Fremdbestimmung durch die große US-Mutter leidet. Sie setzt weltweit auf die „Lieblingstochter“ Chevrolet, weshalb Opel viele globale Märkte verwehrt bleiben. Doch der frisch gekürte Opel-Boss weiß offenbar wie es geht. Und er könnte die frommen Wünsche seines ehemaligen obersten Dienstherrn in die Tat umsetzen. Das Manager-Handwerk hat er im Hause Piëch, sprich: bei Volkswagen gelernt.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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