Buchtipp – Gerd Wolfgang Sievers: Berlin für Genießer

Beitragsbild
Foto 1

Bisweilen klingt ein Buchtitel interessanter, als sich der Inhalt liest. Hier ist es umgekehrt. Der Titel hat etwas von konventionellem Reiseführer, und davon gibt's, gerade über Berlin, nun wirklich viele.

Aber: Wussten Sie, was es mit der Berliner Suppenlina auf sich hat? Oder um Theodor Fontanes Kritik an der tpyischen Berliner Traditionsküche? Dass die Kartoffel, einmal als vorteilhaftes Grundnahrungsmittel entdeckt, doch wieder eine Hungersnot nach sich zog? Haben Sie mal ein Sülzkotelett probiert? (Damit wollte Erich Kästner als Ich-Erzähler dem Schüler Jakob Hurtig in seinen Erzählungen um den kleinen Mann Mäxchen Pichelsteiner wichtige Informationen entlocken, ihn gewissermaßen bestechen, aber das würde jetzt zu weit führen. Entscheidend ist, dass zwischen Kästners Erzählung und Sievers' Beschreibung fünfzig Jahre liegen, und beide widmen sich einem Berliner Tradtitionsgericht, das es mindestens so lange gibt).

Autor Sievers erzählt, wo man, wenn in der Hauptstadt unterwegs, etwas Ungewöhnliches zu essen bekommt. Besonders interessant wird es, wenn er auf den Spuren der Arme-Leute-Küche spazieren geht, an Heinrich Zilles Miljöh erinnert, und wer beim Berliner Schnitzel aus Kuheuter schon ob des Rezepts die Nase rümpft, sollte vor dem Urteil erst probieren. Denn: Fleischsorten mit gutem Image als erschwingliches Alltagsgut – das gibt's noch nicht so lange. Schmackhaftes muss die Not auch aus weniger angesehenen Teilen von Nutztieren hervorbringen können.

Aber dies ist kein Not-Buch, natürlich nicht! Überrascht wird man sein, wenn man die von Sievers gezeigte Vielfalt der eingewanderten Nationalküchen in Berlin betrachtet. Österreichisch, amerikanisch, orientalisch – was soll's denn sein? Die Bandbreite erinnert fast schon an britische Großstädte, in denen Tandoori und Kebab in großer Auswahl über die doch gewöhnungsbedürftige, weil arg gehaltvolle und eigenwillig kombinierte heimische Küche hinweghelfen.

Ja, und natürlich gibt es auch noblere Adressen, und immer jede Menge Rezepte, (darunter so Exotisches wie Fisch im Briocheteig), ohne die ein solcher Reiseführer schlicht unvollständig wäre. Als Einladung zum Seitenweg in einer Stadt mit so vielen Wegen ist er allerdings schon unwiderstehlich. Und wer ein kulinarisches Mitbringsel sucht, wird auch fündig. Fast unglaublich liest sich etwa ein Hinweis auf einen Laden, der sich spezialisiert hat auf – Knoblauch!Gerd Wolfgang Sievers: Berlin für Genießer. Das kulinarische Porträt. Pichler Verlag; 24,99 Euro.

Scroll to Top