Jetzt ist es also offiziell: Formel-1-Ikone Michael Schumacher beendet nach der Saison 2012 offiziell sein Karriere. Zum zweiten – und hoffentlich letzten – Mal nach 2006, als er sich damals noch als Ferraristi aus dem Geschäft zurück gezogen hatte. Vom fernen Japan aus, wo die Ritter der PS-Tafelrunde am Wochenende ihre Kringel drehen, informierte der Mann, der der diesen illustre Motorsport über zwei Jahrzehnte hinweg dominiert hat wie kein Zweiter, seine Fans, die Medien und wohl auch den einen oder anderen Rennstall oder Berater, der womöglich noch ein dickes Geschäft gewittert hat. Seinen Humor hat der 43jährige, trotz wenig befriedigender Resultate und dem einen oder anderen Crash in seinen drei Mercedes-Jahren offenbar nicht verloren. „Wer weiß, vielleicht ist es ja dieses Mal für immer“, scherzte er auf einer Pressekonferenz in Suzuka, in deren Rahmen er seinen Rücktritt bekannt gab.
Es ist ein offenes Geheimnis, das sich der deutsche Premium-Hersteller Mercedes-Benz genau so wie das deutsche Fahrer-Duo Schumacher und Nico Rosberg als heimliche „Deutsche Formel-1-Nationalmannschaft“ mehr von der gemeinsamen „entente cordiale“, der „Verbindung der Herzen“, versprochen hatten. „Wir haben nicht die Ziele erreicht, die wir uns gesteckt hatten“, gab der Wahl-Schweizer, der Ende 2009 als neuer Heilsbringer und Rückkehrer gefeiert worden war, unumwunden zu. Dennoch könne er „stolz auf das sein, was ich erreicht habe.“ Obwohl er noch immer konkurrenzfähig sei, werde er sich keinem anderen Team mehr als Fahrer anschließen: „Am Ende habe ich den Anspruch, nicht nur mitzufahren, sondern um Siege zu kämpfen. Ich bin jetzt mit mir im Reinen“.
Es ist müßig, darüber zu rätseln, ob sich Schumacher vor gut drei Jahren mit seinem Rücktritt vom Rücktritt einen Gefallen getan hat. Urteilen über seine damalige Entscheidung kann nur er selbst. Wenn Schumacher, der Perfektionist, der über 20 Jahre hinweg war, nicht an den möglichen Erfolg der „Mission Mercedes“ geglaubt hätte, wäre er auch nicht mehr zurück gekommen. Aber zwischen Anspruch und Wirklichkeit, auch was die Qualität der Mercedes-Boliden von 2010 bis 2012 anging, klafften offenbar Welten. Es wird interessant zu sehen sein, was sein Nachfolger Lewis Hamilton im Jahr 2013 im Silberpfeil zu leisten imstande ist. Wenn die Batterie den roten Bereich erreicht, ist es an der Zeit aufzuhören, schilderte er am Freitag seinen aktuellen Zustand (und wahrscheinlich auch den seiner Fahrzeuge) drastisch und vielleicht auch ein wenig sarkastisch.
Tatsache ist: Mit Michael Schumacher, der im Januar 44 Jahre alt wird, verabschiedet sich im Jahr 2012 nicht nur einer der genialsten Fahrer, den die Formel 1 in den 60 Jahren ihres Bestehens jemals hervor gebracht hatte, sondern auch eine technische Ära und Epoche. Als Michael Schumacher im August 1991 im belgischen Spa-Francorchamps als Ersatzfahrer für Bertrand Gachot sein erstes Formel-1-Rennen in einem Jordan bestritt, waren die technischen Voraussetzungen für die Fahrer um ein Vielfaches anspruchsvoller, als dies zum Beginn des zweiten Jahrzehnts im neuen Jahrtausend der Fall ist. Michael Schumacher war einer jener wenigen, ganz sensiblen und feinfühligen Piloten, der in sein Auto hineinhorchen konnte und es nur dank seines fahrerischen Könnens beherrschte. Der junge Mann, der die Formel 1 in Deutschland im Raketentempo wieder salonfähig machte und dem Privatsender RTL zu gigantischen Einschaltquoten verhalf, war im Jahr 1994 der letzte Weltmeister, der seinen Titel noch in einem Rennfahrzeug errang, das völlig ohne Fahrhilfen unterwegs war: Keine variabel einstellbare Traktionskontrolle, keine Anfahrhilfe, keine Startautomatik (Launch Control), kein vollautomatisches Getriebe.
Schumacher musste sich mit in den ersten Jahren seiner Karriere mit den Großen seiner Zeit, wie dem viel zu früh verstorbenen Ayrton Senna, mit Damon Hill, Alain Prost oder Nigel Mansell noch Rad an Rad auf der Piste messen, weil fahrerische Leistungen und nicht die Telemetrie-Daten oder die Boxen-Strategie zum großen Teil ausschlaggebend für den Rennausgang waren. Der gebürtige Rheinländer wurde, vor allem als er der Scuderia Ferrari nach jahrzehntelanger Abstinenz wieder zu den ersehnten WM-Titeln verhalf, zum Halbgott des PS-Zirkus hoch stilisiert. Dabei gab es auch durchaus dunkle Stunden und zweifelhafte Vorkommnisse (Bodenplatten-Affäre 1994, Villeneuve-Rammstoß 1997, Rascasse-Affäre 2006), die ihm zwischenzeitlich auch den zweifelhaften Ruf als „Schummel-Schumi“ einbrachten.
Als Erinnerung an Schumachers beispiellose Karriere wird eine schillernde Persönlichkeit bleiben, die nicht nur von sich selbst, sondern auch seinen Arbeitgebern, Mitarbeitern, Kollegen, aber auch Freunden und Bekannten immer höchsten Einsatz und größtmögliche Professionalität eingefordert und selbst geleistet hat. Was jetzt aus dem künftigen „Formel-1-Rentner“ Michael Schumacher wird? Es wird alleine seine Entscheidung sein. Genau so, wie er sich zweimal zum Rücktritt und einmal zum Comeback entschieden hat. Mit allen Konsequenzen.
Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Daimler Media