In Reisebussen müssen sich die Fahrgäste auf allen Plätzen anschnallen. Diese Gurtpflicht gilt auch dann, wenn nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird. Wer sich nicht anschnallt, riskiert, bei einer Verletzung mithaften zu müssen. So hat das Oberlandesgericht Hamm am 14. Mai 2012 (AZ: I-6 U 187/11) einer nicht angeschnallten Insassin eine Mithaftung von 30 Prozent zugerechnet, wie die Verkehrsrechtsanwälte des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilen.
Die Frau fuhr mit ihrem Mann in einem Reisebus. Als der Bus mit 38 km/h über doppelte Bahngleise fuhr, wurde die nicht angeschnallte Frau aus ihrem Sitz hoch geschleudert. Beim Zurückfallen brach sie sich einen Lendenwirbel. Seitdem ist ihre Mobilität erheblich eingeschränkt. Außerhalb des Hauses ist sie auf einen Rollstuhl angewiesen. Vor Gericht stritten die Parteien über die Höhe des Schmerzensgeldes und die Mithaftung der Verletzten wegen des Verstoßes gegen die Anschnallpflicht.
Die Richter sprachen der Frau ein Schmerzensgeld von 100.000 Euro zu. Gleichzeitig legten sie ein Mitverschulden von 30 Prozent fest. Zwar überwiege die Betriebsgefahr des Busses und der Busfahrer hätte deutlich langsamer über die Gleise fahren müssen, jedoch müsse sich die Insassin den Verstoß gegen die Gurtpflicht vorwerfen lassen. Da die Gurte sichtbar waren, komme es auch nicht darauf an, ob der Fahrer die Fahrgäste auf die Anschnallpflicht hingewiesen habe. Es sei allgemein bekannt, dass man sich auch in Reisebussen anschnallen müsse. Ohne Bedeutung sei, dass gegen diese Gurtpflicht oftmals verstoßen werde. Daher sei der Schadensersatz, inklusive monatlicher Zahlungen, um 30 Prozent zu kürzen.
Die DAV-Verkehrsrechtsanwälte warnen davor, der Anschnallpflicht nicht nachzukommen. Neben der Gefahr der Schadensersatzkürzung zeige die Unfallforschung, dass die meisten Schwerverletzten und Toten bei Reisebusunfällen nicht angeschnallt waren.
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