Warum er sich als Jugendlicher entschied, Schiedsrichter zu werden, kann Marcus Hurst gar nicht mehr so genau sagen. Er wollte, daran erinnert er sich noch, seinem Verein helfen. Nachdem er im Alter von 17 Jahren für die TSG Oberursel die ersten Schritte im Bezirk Frankfurt gemacht hatte, entwickelte sich das Pfeifen jedoch schnell zu seinem Fokus und war irgendwann wichtiger als das eigene Spielen. „Die Schiedsrichterei“, sagt Hurst heute, „ist eine eigene Sportart geworden.“
Neben dem Spaß an der Sache, der zur Ausübung eines Hobbys entscheidend ist, entwickelten sich nach und nach neue Reize. „Das Pfeifen hatte etwas, das mich angezogen hat“, beschreibt der 36-Jährige. „Man gestaltet als Schiedsrichter das Spiel, die Sportart Handball, mit. Das finde ich sehr spannend.“
Darüber hinaus schwärmt Hurst von dem Mehrwert, den das Pfeifen für den eigenen Fortschritt hat. „Du entwickelst Management- und moderne Führungsqualitäten und eine hohe emotionale Intelligenz, weil du dich Woche für Woche auf verschiedenste Persönlichkeiten einlassen musst“, sagt er. „Das sind Fähigkeiten bzw. Fertigkeiten, die du auch im beruflichen Kontext benötigst.“
Dabei spielt es aus Sicht des gebürtigen Hessen keine Rolle, ob er in der Bundesliga oder der Bezirksliga auf dem Feld steht. „Die Ansprüche an dich als Schiedsrichter sind überall gleich und du musst 60 Minuten deine Leistung bringen“, beschreibt er. Gerade als Jugendlicher sei es eine interessante Erfahrung gewesen: „Du merkst vom ersten Spiel an, dass du einen gewissen Einfluss auf das Spiel hast und die Leute dir, weil du als Schiedsrichter vor ihnen stehst, mit einem gewissen Respekt begegnen. Das ist gerade als junger Mensch natürlich eine neue Erfahrung und extrem spannend.“
Hurst hat die Zeit, die er in das Pfeifen investiert hat, nie bereut. „Es hat sich Schritt für Schritt entwickelt“, erinnert er sich. „Je mehr man sich der Schiedsrichterei verschreibt, umso intensiver beschäftigt man sich damit. Man steckt mehr Zeit rein, pfeift mehr Spiele und beginnt, sich auch außerhalb des unmittelbaren Spiels mit der eigenen Leistung auseinanderzusetzen. So wird man nach und nach besser.“
Und während das Schiedsrichter-Amt in der Öffentlichkeit oft negativ besetzt ist, hält das Pfeifen auch immer wieder Highlights bereit – und schafft bleibende Erinnerungen. „Ich weiß noch genau, wie nach einem meiner ersten Spiele ein Elternteil zu mir kam und sagte: ‚Das haben Sie gut gemacht‘“, erzählt der 36-Jährige. „Das war das erste Kompliment, das ich als Schiedsrichter bekommen habe und hat mir gezeigt, dass es offenbar nicht ganz so verkehrt ist, was ich da mache. Das war ein tolles Gefühl.“
Spaß und Leidenschaft, Respekt und Weiterentwicklung, Erlebnisse und Erinnerungen: Das Pfeifen prägt das Leben von Hurst und seinen Schiedsrichterkolleg:innen. „Die Schiedsrichterei hat ebenso wie andere Sportarten eine eigene Magie“, fasst Hurst abschießend zusammen. „Ich kann jedem nur ans Herz legen, das Pfeifen einmal auszuprobieren, denn wer es nicht ausprobiert hat, kann es nicht verstehen.“
Marcus Hurst: Seine 3 wichtigsten Werte als Schiedsrichter
- Respekt
Für Schiedsrichter ist Respekt sicherlich ein grundlegender Wert. Wir respektieren alle Spieler – ob uns ein A-Jugendlicher oder ein Nationalspieler gegenübersteht – und wünschen uns dafür Respekt gegenüber unserer Person. Es gibt im Handball beispielsweise immer wieder knappe Entscheidungen, die Diskussionsbedarf nach sich ziehen, aber anstatt uns auf dem Feld anzuschreien, wünschen wir uns einen beidseitig respektvollen Austausch – gerne auch in Ruhe nach dem Spiel. - Offenheit
Als Schiedsrichter dürfen wir keine Vorurteile haben. Wir müssen allen Beteiligten – und auch dem Spiel und dem Spielverlauf – gegenüber offen sein. Ich denke, dass Offenheit auch gesellschaftlich extrem wichtig ist. - Gerechtigkeit
Als Schiedsrichter müssen wir auch unter Druck gleiche Aktionen gleich bewerten. Wir nennen das ‚eine Linie haben‘. Manche sprechen auch von einer imaginären Waage, die man als Schiedsrichter im Kopf hat und die ausgeglichen sein muss. Mein Wunsch wäre, dass alle Beteiligten fair sind und diesen Grundsatz akzeptieren statt nur auf ihr eigenes Plus aus zu sein.