H-Kennzeichen: „Geadelte Oldies“ 2022

1992 verlangte der Zeitgeist, mehr denn je, extrem starke Coupés, Kombis und Familienkutschen, die für den Ritt auf der Kanonenkugel gut waren oder beim Ampelsprint die Faust im Nacken spüren ließen. Darunter der McLaren F1 als schnellstes Hypercar der Welt und Herausforderer der endlich ebenfalls in Serie gebauten Jaguar XJ 220 und Bugatti EB 110 S, aber auch wilde Wölfe im Pelz des Kombi-Praktikers wie BMW M5 oder Audi S4 Avant 4.2 V8, bis hin zum Kraftzwerg Mini Cooper, der ein Revival feierte. „Twingo. Der macht die Welt verrückt“, versprach dagegen die Renault-Werbung und tatsächlich begeisterte der winzige Gallier ganz ohne PS-Gewalt Millionen Käufer mit vanartigem Raumangebot und treuem Augenaufschlag. Im Jahr 1992 zeigten Autos wieder Gesicht, so auch die Neuauflage des Nissan Micra, die mit Kuscheltieroptik Frauen und junge Autofahrer mitten ins Herz traf. Trotzdem haben gerade von diesen preiswerten Kleinen relativ wenige bis heute überlebt, was die Suche nach mindestens 30 Jahre alten Anwärtern für ein H-Kennzeichen erschwert.

Immerhin wurde der Autojahrgang 1992 grundsätzlich auf eine lange Lebenserwartung präpariert, wovon technologisch raffinierte Japaner damals eindrucksvoll durch vordere Plätze in Zuverlässigkeitsrankings kündeten. Dazu zählen der erste Subaru Impreza (Boxer und Allrad in der Kompaktklasse und Basisfahrzeug für Rallye-Weltmeister), der erneuerte Mitsubishi Galant (Allradlenkung und Allradantrieb), der luxuriöse Mazda Xedos 6 (Downsizing-V6 mit Laufkultur der Oberklasse), der Wankelmotor-Renner Mazda RX-7, aber auch der niedliche Nissan Micra als trendigster Minicar der Moderne. Gerade ihm gelang eine Sensation: Japanische Qualität zu Kleinwagen-Kosten, gebaut von Robotern in England. Damit brillierte der Micra europaweit als bezahlbarer Stadtflitzer, während der gleichfalls frische und frech-fröhlich blickende Fiat Cinquecento die technische Basis für feinste Alta Moda in Form von Crossover-Coupés und -Cabrios der Karossiers Coggiola, Bertone, Stola oder Ital Design lieferte.

Vermeintlich fade Hausmannskost in Form konservativer Stufenhecklimousinen durften 1992 natürlich ebenfalls nicht fehlen, verkaufte sich diese doch in den östlichen Bundesländern des soeben wiedervereinigten Deutschlands besonders gut. Dazu zählten das Golf-Derivat Volkswagen Vento (erstmals mit furioser V6-Motorisierung), Opel Astra Viertürer, aber auch Toyota Carina (wie Nissan Micra und Primera „Made in England“), Mitsubishi Lancer und Hyundai Sonata V6. Modellnamen, die meist längst vergessen sind, und damit das Schicksal einiger historischer Ereignisse von 1992 teilen, die sich bis heute auswirken. Etwa die jährliche Begrenzung des Autoexports aus Japan in die EU, die Toyota, Nissan und Honda zum Aufbau europäischer Werke und Entwicklungszentren bewegte. Ein Vorbild, dem später die Koreaner folgten.

Nicht zuletzt zählte auch Effizienz längst zu den Zielen der Automobilindustrie, zu erkennen etwa am ersten Audi 80 Avant, der als TDI nur rund vier Liter Diesel pro 100 Kilometer konsumierte – damals sensationell für einen Kombi. Noch besser sollte es wenige Jahre später der Audi Duo als weltweit erster Diesel-Hybrid machen. Aber auch die 1992 vorgestellten V8-Asphaltbrenner BMW 540i (E34), BMW 740i (E32) oder Mercedes 400 E (W124) lernten das Sparen im Vergleich zu etablierten Achtendern, vier Jahre später in Neuauflage waren sie sogar nochmals rund 40 Prozent effizienter.

Fotos: Audi, Nissan, Renault, Volkswagen

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