„Von Beginn an geht es bei diesem Forschungsprojekt grundsätzlich darum, die Fahrfunktionen moderner Fahrzeuge in Verbindung mit ihren Assistenzsystemen heute und in Zukunft herstellerunabhängig einer Wirkungsprüfung zu unterziehen“, erklärt KÜS-Hauptgeschäftsführer Peter Schuler.
Damit verbunden ist auch der Entwicklungsanspruch, die neuen ergänzenden Prüfumfänge praxistauglich in die klassische Hauptuntersuchung integrieren zu können.
Neu ist der Ansatz, direkte Reaktionen eines Fahrzeugs auf Einwirkungen von außen dynamisch auf einem Prüfstand zu untersuchen. Eine solche Einwirkung kann z. B. ein vorausfahrendes oder entgegenkommendes Fahrzeug sein. Um flexibel anpassbare, aber dennoch reproduzierbare Prüfabläufe sicherstellen zu können, versetzen wir das zu prüfende Fahrzeug in eine virtuelle Realität.
Der KÜS-Prüfingenieur lenkt dabei das Fahrzeug eigenständig angetrieben durch diese simulierte Umgebung. Hierbei werden die wesentlichen Sinnesorgane des Fahrzeugs – also dessen Sensoren – mit zur Simulation passenden Signalen beaufschlagt. Die bei dieser Prüfungsfahrt provozierten Reaktionen des Fahrzeugs werden im Anschluss durch den Prüfingenieur beurteilt und gegebenenfalls bemängelt.
Dabei können auf dem Prüfstand Geschwindigkeiten bis zu 130 km/h gefahren werden, ohne dass das Fahrzeug aufwändig verzurrt und abgesichert werden muss. Die zu prüfenden Fahrzeuge bleiben in allen Geschwindigkeitsbereichen lenkbar, sodass auch Systeme, die erst ab einer gewissen Geschwindigkeit aktiv werden, dynamisch geprüft werden können. Beispiel: Adaptive Lichtsysteme, welche erst im Fahrbetrieb aktiviert werden und sich der aktuellen Fahrsituation und Geschwindigkeit anpassen.
Die innovative Technologie des KÜS DRIVE ermöglicht es darüber hinaus z. B. auch ABS, ESP und ACC erstmals dynamisch auf engstem Raum, verkehrsunabhängig auf Funktionalität und Wirkung im Rahmen einer Hauptuntersuchung im Fahrversuch zu überprüfen. Durch das modulare Grundkonzept sind die Prüfumfänge in Zukunft beliebig erweiterbar.
„Bereits 2016 hatten wir die ersten Ideen und mit den Planungen begonnen. Zu diesem Zeitpunkt war es bereits offensichtlich, dass die Automatisierung auch im automobilen Bereich voranschreitet und nicht mehr aufzuhalten sein wird. Wir sind stolz sagen zu können, dass wir nach jahrelanger intensiver Forschung und Entwicklung nun in die praktische Erprobung dieses anspruchsvollen Projekts übergehen“, so Peter Schuler.
Entwicklung und Bau der Prüfstraße erfolgen in Zusammenarbeit mit unterschiedlichsten Firmen aus den Bereichen Maschinenbau, Sensorik, Radartechnik sowie Elektronik.
„Am 02.12.2021, also erst vor wenigen Tagen, hat das KBA die weltweit erste Typgenehmigung für eine Fahrfunktion in Level 3 erteilt. Diese Fahrfunktionen werden auch bei der periodisch technischen Inspektion (PTI) geprüft werden müssen. Wir entwickeln den weltweit ersten Prototyp, der dies auch leisten kann. Selbstverständlich behalten wir auch andere Einsatzmöglichkeiten wie beispielsweise den Einsatz in der Fahrzeugentwicklung, der Forschung an Systemen oder auch die notwendigen Prüfungen zur Erlangung einer Typgenehmigung im Blick“, erläutert Dipl.-Ing. Stefan Schuler, KÜS-Geschäftsführer Prüfwesen, Technik und Entwicklung.
„Mit der Prüfstraße KÜS DRIVE sind wir in der Lage, neben den konventionellen Prüfungen auch die sicherheitsrelevanten Funktionalitäten automatisierter Fahrzeuge zu überprüfen“, erklärt Dr. rer. nat. Thomas Tentrup, Leiter der KÜS Stabsstelle Forschung und Entwicklung.
Der promovierte Physiker ist der Erfinder des Kernstückes der Prüfstraße, dem SFT (Steerable Function Tester), und ist auch mit der Entwicklung weiterer innovativer Prüfverfahren beauftragt.
Auch an anderen Stellen der Welt wird derzeit an ähnlichen Systemen gearbeitet. „Aber nach alldem, was wir bisher in Erfahrung bringen konnten, haben wir zurzeit einen technologischen Vorsprung bei dem Gesamtkonzept“, betont Dipl.-Ing. Thomas Auer, Geschäftsführer KÜS DATA GmbH. „Aktuell befinden wir uns in der Bauphase, aber wenn alles nach Plan läuft, werden wir noch im ersten Halbjahr 2022 mit dem Prototyp in Betrieb gehen können. Bis zu einem realen Forschungseinsatz am Kfz wird es, insbesondere durch die vielen coronabedingten Engpässe, aber wohl noch bis Ende 2022 dauern“, so Peter Schuler.
Die aktuelle KBA-Zulassung für den Mercedes Drive Pilot ist erst der Auftakt einer neuen Entwicklungsstufe in der Fortbewegung. Bis zur flächendeckenden Ausdehnung werden noch Jahre vergehen. „Wir gehen aber ebenfalls davon aus, dass es für Fahrzeuge mit einem hohen Automatisierungsgrad eine Erweiterung des Prüfumfanges im Rahmen der Hauptuntersuchung geben wird. Die Notwendigkeit alle anderen konventionellen Fahrzeuge nach herkömmlichen Methoden zu prüfen, hat selbstverständlich weiterhin uneingeschränkt Bestand“, so Stefan Schuler.
Es ist aber bereits jetzt sehr deutlich, dass die Automatisierung der mobilen Welt weiter an Fahrt aufnehmen wird. Wir setzen uns dafür ein, moderne, hochautomatisierte Fahrzeuge aller Automatisierungsstufen praxistauglich prüfbar zu machen.
Damit auch die Fahrzeuge von morgen durch die KÜS-Prüfingenieurinnen und -Prüfingenieure auf ihre Sicherheit und Zuverlässigkeit im Sinne aller Verkehrsteilnehmer geprüft werden können!