Auf der IAA 2018 war nur auf heftiges Nachfragen zu erfahren, wer den Geländegänger in Pritschenform wo baute. Barcelona, Spanien, wurde zum Geburtsort der X-Klasse, dort laufen auch der Nissan Navara und sein Schwestermodell Renault Alaskan vom Band. Da die beiden technisch fast identisch sind, zeigten sich auch für den Mercedes die Eckdaten und die Formensprache als sehr verwandt. Die X-Klasse also ein „Ableger“ des Nissan? In der Tat. Und genau das war es, was im März 2020 zum vorzeitigen Ableben der Stuttgarter Pickup-Träume führt. Kurz vor seiner Demission bei Mercedes hatte Konzernchef Zetsche bereits angedeutet, dass die X-Klasse nicht mehr allzu lange überleben wird, die Verkaufszahlen entsprachen keinesfalls den Erwartungen. Auch die Märkte in Afrika und Südamerika zeigten auffallend wenig Interesse für den Import oder gar für den Bau in ihren Ländern. Von Nordamerika ganz zu schweigen, denn dort haben die „Light-Trucks“ ständig Hoch-Zeit, aber nur die mit hubraumstarken V8-Triebwerken. Und die bot Mercedes nun mal nicht an. Auf dem anspruchsvollen europäischen Markt wusste der Nissan-Halbbruder auch nicht so recht zu überzeugen, da der Preis, den die Stuttgarter aufriefen, nicht gerade den Qualitäts- und Ausstattungsvorstellungen der potentiellen Kundschaft entsprach – viel Nissan und zu wenig Mercedes. Der Navara aber hat seit Jahrzehnten ein gutes Image weltweit, gilt als zuverlässig, technisch up to date und bezahlbar.
Als Konsequenz des Pickup-Rückzugs darf durchaus konstatiert werden: Es genügt heutzutage keinesfalls, auf ein bewährtes Serienprodukt (Nissan Navara) nur den Stern in den Kühlergrill zu schrauben, alles Übrige aber im preisgünstigen Sektor zu belassen, aber dann weit über 10.000 Euro dafür zu veranschlagen. Nicht zuletzt ist der Pickup- Markt weltweit mit guten Angeboten reichlich gefüllt (Mitsubishi, Ford, Toyota, Fiat, Ssangyong, Isuzu, Nissan, Renault, Volkswagen etc.).
Fotos: Daimler, Paolo Pauletta