Leser fragen – Experten antworten: Vorschriften für Weihnachtsmann und Schlitten

Frage: Als Weihnachtsmann bin ich vom Status her ja selbständiger Paketzusteller und war bisher vor allem in Nordamerika unterwegs. Mein Schlitten ist von Natur aus emissionsfrei. So weit, so gut. Aber: Immer mehr Aufträge bekomme ich vor Weihnachten für den deutschen Markt. Worauf muss ich hier ganz besonders achten?

Antwort von Hans-Georg Marmit, KÜS: Paketzusteller stehen in der Weihnachtszeit sehr unter Stress. Wer an Heiligabend arbeitet, muss besonders viel leisten, schließlich sollen alle kleinen und großen Kinder ihre Geschenke noch rechtzeitig erhalten. In besonderen Fällen kommen verschiedene Vorschriften zum Tragen. Bei Fragen zur Flughöhe und -geschwindigkeit oder zum Abstand zu Flugzeugen oder Satelliten hilft die Flugsicherung weiter. Sobald der Schlitten jedoch am deutschen Straßenverkehr teilnimmt, greifen die hiesigen Straßenverkehrsvorschriften.

Da es sich bei dem Schlitten um kein Modell aus einer Serienproduktion mit entsprechenden Zulassungs- und Sicherheitsanforderungen handelt, muss das Gefährt über eine ordentliche Einzelabnahme verfügen und den wichtigsten Sicherheitskriterien entsprechen. Dazu zählen unter anderem eine gesetzeskonforme Beleuchtungsanlage sowie funktionierende Bremsen. Selbstverständlich darf der Schlitten nicht mit hell leuchtenden Lampenketten geschmückt sein, andere Verkehrsteilnehmer könnten dadurch irritiert oder gar geblendet werden. Schmuckdekoration muss zudem gut befestigt sein, damit während der Fahrt nichts abfällt und dadurch Schäden verursacht.

Die Länge des Gespanns muss ebenfalls beachtet werden. Zugfahrzeug und Anhänger dürfen eine maximale Länge von 18,75 Metern nicht überschreiten. Je nachdem, wie viele Rentiere den Schlitten ziehen, kann der Schlitten länger oder kürzer sein.

Ein weiterer wichtigerer Sicherheitsaspekt betrifft die Zuladung. Der in den Fahrzeugpapieren angegebene Wert darf nicht überschritten werden. Er wird berechnet, indem vom zulässigen Gesamtgewicht das Leergewicht abgezogen wird. „Stattliche“ Zusteller müssen daran denken, dass in den Angaben fürs Leergewicht nur ein 75 Kilogramm wiegender „Normfahrer“ eingerechnet ist. Wird dieses Körpergewicht überschritten, müssen die zusätzlichen Körperkilos von den möglichen Zuladungswerten abgezogen werden. Dass die Ladung gut verstaut und gesichert werden sollte, versteht sich eigentlich von selbst, wird aber gerne in stressigen Situationen vernachlässigt. Kommt es zu heftigen Bremsmanövern, fliegen die Pakete durch den Laderaum und können zu Bruch gehen. Bei einem offenen Schlitten würden sie zudem als Geschoss durch die Luft fliegen und somit für den Schlittenlenker und andere Verkehrsteilnehmer eine große Gefahr darstellen.

Apropos stattlich: Die KÜS rät dringend davon ab, Häuser und Wohnungen über den Schornstein zu betreten. Hierzulande sind die Schornsteine meistens reine Rauchgasleitungen, enden also nicht in einem offenen Kamin. Außerdem ist der Durchmesser eines Schornsteins eng. Der Platz reicht weder für einen Zusteller noch einen großen Sack mit Geschenken. Besser ist es, vor die Häuser zu fahren – Achtung: Parken in der zweiten Reihe ist nicht erlaubt – und dann die Pakete auszuliefern.

Ein weiteres heikles Thema betrifft bei unter Zeitdruck stehenden Zustellern die Einhaltung der Geschwindigkeitslimits. Innerorts gilt in der Regel die 50 km/h-Vorschrift, es gibt aber auch viele Tempo-30-Zonen und verkehrsberuhigte Straßen. Hier darf nur mit Schritt-Tempo gefahren werden. Mit Tempokontrollen muss gerechnet werden, bei Überschreitung der Limits drohen ausländischen Fahrzeuglenkern zumindest Bußgelder. Auch bei Alkohol hinterm Steuer oder am Zügel verstehen die Ordnungshüter keinen Spaß. Wer die ganze Zeit überwiegend im Freien tätig ist, hat am besten warme Getränke wie Kaffee oder Tee dabei. Warme Kleidung, die nicht einengt und auch nicht aufgrund ihrer wärmenden Materialien aufbauscht, ist empfehlenswert. Arbeits- und Lenkzeiten sind in Deutschland ebenfalls geregelt und müssen auch von selbstständigen Kurierfahrern eingehalten werden.

Pausen sollten auch die Zugtiere erhalten. Dass erkältete Tiere – möglicherweise erkennbar an einer leuchtenden roten Nase – eingesetzt werden, widerspricht dem Tierwohl. Bei Kontrollen könnten Veterinärmediziner gegebenenfalls eine Weiterfahrt verbieten.

Grundsätzlich wäre es sinnvoll, die Auslieferung der Präsente nicht auf einen Tag zu begrenzen, sondern langfristiger zu planen. Um den Stressfaktor zu reduzieren, könnte im hiesigen Weihnachtsgeschäft auch eine Kooperation mit dem Christkind hilfreich sein. Es arbeitet schon im Vorfeld der Feiertage eng mit Eltern und Großeltern zusammen, was Lieferstress und Zeitnot minimiert. Eine Koordination der Geschenkelieferanten würde Mehrfachfahrten verhindern und so zur Entlastung des Straßenverkehrsaufkommens beitragen.

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