Doch jetzt muss der Mann in der blauen Uniform noch einmal ran – für einen ganz besonderen Job. Mit einem stolzen, ja fast trotzigen Brabblen aus seinem Auspuff rollt ein schwarz-gelbes Smart Cabrio aufs Tor zu und drängt nach draußen. Und das ist nicht irgendein Smart. Sondern dick mit einer „#21“ beschriftet, ist es das letzte Exemplar der Final Collectors Edition, mit der sich Smart vom Benziner verabschiedet. Gestaltet vom Berliner Künstler und Designer Konstantin Grcic, ist es auf dem Weg dorthin, wo Kunstgegenstände hingehören – ins Museum.
Aber seinen Platz im Mercedes-Museum verdankt das schwäbische Art-Car nicht allein seinem gesprenkelten Lack, sondern auch seiner historischen Bedeutung. Zwar war der Bonsai-Benz für die Buchhalter immer ein Sorgenkind und hat wahrscheinlich mehr Geld verbrannt als jedes andere Mercedes-Modell. Doch in der Entwicklung des Autos markiert der Winzling einen ähnlichen Meilenstein wie der Mini. Denn der Smart war das erste Modell, mit dem die PS-Branche auf die Urbanisierung der Welt und den Verkehrskollaps in den Megacities reagiert hat. „Das Auto der Zukunft muss bestehende Vorstellungen hinterfragen und mit radikalen wie wegweisenden Technologieideen inspirieren“, brachte es Mercedes-Benz Studio-Ingenieur und Visionär Johann Tomforde bereits 1972 auf den Punkt, als er die ersten Ideen zu dem skizzierte, was 25 Jahre später mal der Smart werden sollte. Und als dann noch der Schweizer Uhren-Papst Nikolas Hayek seine Ideen vom Swatch-Auto mit einbrachte, war offenbar eine Antwort auf die stetig größer werdenden Städte und den drohenden Verkehrskollaps gefunden: Ein Zweisitzer von damals unerreichten 2,69 Metern und mit einem Motor von nur drei Zylindern, über den die Mercedes-Ingenieure lautstark gelacht haben dürften. Aber der war ohnehin nur zweite Wahl: Denn schon Hayek hat mit dem Elektroantrieb geliebäugelt und auch wenn es fast zehn Jahre dauerte und es anfangs nur 100 Autos für London waren, wurde der Smart 2007 immerhin zum ersten elektrischen Serienauto aus Europa.
Nachdem Daimler jetzt die Verbrenner ausgemustert hat, planen die Schwaben schon den nächsten Schritt: Zusammen mit Großaktionär Geely wollen sie die nächste Generation des Smart rund um den Akku-Antrieb in China entwickeln und von dort aus für die ganze Welt fertigen und so endlich einen elektrischen Kleinwagen zum konkurrenzfähigen Preis anbieten.
All das hat man im Sinn, während einem der nach ein bisschen Suche doch noch herbeigeeilte Pförtner mit traurigem Blick und freundlichem Gruß die Schranke öffnet und den letzten Verbrenner-Smart auf seine Abschiedsfahrt entlässt. Die führt erst einmal durch das Örtchen Hambach selbst, das mit der Fabrik aufgeblüht ist und sich deshalb mit strahlendem Sonnenschein von dem gelben Sonderling verabschiedet, dann über ein paar Provinzstraßen und danach auf die Autobahn. Obwohl für die Stadt gemacht, schlägt sich der Smart auch dort tapfer und brummt trotzig gegen alle Sentimentalität an. Was haben wir uns in den letzten Jahren über die knatternden Dreizylinder geärgert und vor allem über das Getriebe, das uns bei jedem Schaltvorgang ein Nicken abgenötigt hat. Aus, vorbei und vergessen. Denn erstens ist der Antrieb über die Jahre immer besser geworden und steht er zumindest seit dem letzten Generationswechsel anderen Kleinwagen wie einem VW Up oder einem Fiat 500 in nichts mehr nach. Und zweitens werden wir so quirlige Mini-Motörchen bald vermissen, wenn sie auf dem Altar der CO2-Grenzwerte und des Klimaschutzes vollends geopfert worden sind.
Bis dahin allerdings genießen wir es noch einmal und lassen dem 0,9-Liter ein bisschen Freilauf. Erst unten am Neckar sinkt die Stimmung wieder und je näher das Museum rückt, desto weiter gehen die Mundwinkel herunter. Denn damit nähert sich nicht nur das Ende der Fahrt, sondern auch das Ende eine Ära und zumindest bei Smart ist Otto bald nur noch ein Vorname und Zylinder ein buchstäblich alter Hut.
Der Fahrer mag traurig sein, aber der Herr vom Besucherservice strahlt, als er dem Bonsai-Benz die Tür aufhält und die Knutschkugel mittenreinfährt in die Sammlung – schließlich hat er zumindest vorübergehend einen populären Neuzugang und kaum ist der Wagen abgestellt, beugen sich auch schon die ersten neugierigen Gäste ins Cabrio.
Drei Fahrtstunden weiter im Westen ist auch aus dem Gesicht des Pförtners in Hambach die Trauer längst wieder gewichen. Denn erstens wird der Smart hier ja noch für eine gewisse Zeit mit E-Antrieb weitergebaut, bis das Joint-Venture mit Geely in China ins Rollen kommt. Und zweitens laufen längst die Vorbereitungen für die Produktion des Mercedes EQ A, der für die nötige Auslastung der Fabrik sorgen dürfte. Selbst wenn er künftig wieder öfter in seinem kleinen Häuschen stehen wird, hat der Mann also gut lachen.