Das ist aber nicht der Fall, wenn nicht nachweisbar ist, dass zwei Anhörungsbögen versendet wurden. Es ist auch nicht ausreichend, den Betroffenen nur an seinem Wohnort aufzusuchen. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 27. Februar 2019 (AZ: 15 I 127/17).
Der Autobesitzer ist als selbstständiger Sachverständiger für Straßenunfälle tätig. Mit seinem Auto wurde ein Geschwindigkeitsverstoß begangen. Außerhalb einer geschlossenen Ortschaft war das Fahrzeug 44 km/h zu schnell unterwegs. Das Blitzerfoto zeigte eine Frau mit langen blonden Haaren und Brille. Die Behörde gab an, dem Mann zwei Zeugenfragebögen übersandt zu haben. Sie erhielt hierauf keine Reaktion. Über den Versand der automatisiert erstellten Schreiben gab es keine Dokumentation. Daraufhin bat die Polizei den Mann schriftlich zur Vernehmung als Zeuge. Das Fahrerfoto fügte sie nicht bei. Die Polizei suchte mehrfach die Adresse des Betroffenen auf. Eine Ladung wurde persönlich in den Briefkasten geworfen. Der Mann entschuldigte sich, er sei im Urlaub gewesen. Dann sollte ein neues Gespräch stattfinden. Strittig blieb dabei, ob die Polizei darauf hingewiesen hatte, dass die Ermittlungsakte bereits wieder zurückgesandt worden war. Dem zweiten Termin kam der Mann nicht nach.
Mit der Begründung, dass zu schnelles Fahren eine der Hauptunfallursachen sei, wurde er verpflichtet, zwölf Monate lang ein Fahrtenbuch zu führen. Dagegen wehrte sich der Mann.
Mit Erfolg. Das Gericht entschied, dass die Auflage, ein Fahrtenbuch zu führen, rechtswidrig war. Die Behörde konnte nicht nachweisen, dass die Anhörungsbögen tatsächlich verschickt worden waren. In diesen Fällen gebe es auch keine Fiktion des Empfangs der Schreiben. Dies sei nur möglich, wenn tatsächlich auch der Versand der Schreiben in der Akte dokumentiert werde. Dies sei hier nicht der Fall. Demnach habe der Mann nicht rechtzeitig von dem Verkehrsverstoß erfahren und also auch nicht rechtzeitig an der Aufklärung mitwirken können.
Für das Gericht war auch nicht nachvollziehbar, warum die Polizei die Fahrerin nicht vor der Verfolgungsverjährung hätte feststellen können. Zunächst einmal hätte mindestens der zweite Anhörungsbogen mit Zustellungsnachweis versendet werden können. „Eine gesetzliche Vermutung für den Zugang eines Anhörungsbogens bei einer Ordnungswidrigkeit gibt es nicht“, so das Gericht. Selbst bei einer nachweislichen Versendung sei nicht belegt, dass diese nicht falsch eingeworfen worden sei.
Die Anordnung eines Fahrtenbuchs greife erheblich in die allgemeine Handlungsfreiheit des Fahrers ein. Daher sei ein „rechtsstaatliches Verfahren“ unabdingbar. Auch in Massenverfahren müsse der Sachverhalt sauber ermittelt werden.
Dies sei hier nicht geschehen. Der Mann habe sich mit seinem Urlaub entschuldigt. Er habe sich also der Mitwirkung nicht verweigert. Auch reiche das alleinige Aufsuchen der Wohnanschrift nicht aus, insbesondere nicht bei berufstätigen Personen. Eine Recherche hätte ergeben, dass der Betroffene nur 200 Meter entfernt sein Sachverständigenbüro habe. Man hätte ihn dort aufsuchen können.
Auch bei einer einfachen Internetsuche hätte die Polizei außerdem feststellen können, dass ein Zeitungsfoto der Frau des Fahrzeughalters dem Blitzerfoto ähnele. Da all dies nicht erfolgte, muss der Mann kein Fahrtenbuch führen.