Antwort von Hans-Georg Marmit, Kraftfahrzeug-Experte der Sachverständigen-Organisation KÜS:
Doch, in einer solchen Situation kommt das sogenannte Reißverschlussverfahren zur Anwendung. Dies ist seit 2001 Pflicht und wird in Paragraf 7, Absatz 4 der StVO geregelt. Dort heißt es: „Ist auf Straßen mit mehreren Fahrstreifen für eine Richtung das durchgehende Befahren eines Fahrstreifens nicht möglich oder endet ein Fahrstreifen, ist den am Weiterfahren gehinderten Fahrzeugen der Übergang auf den benachbarten Fahrstreifen in der Weise zu ermöglichen, dass sich diese Fahrzeuge unmittelbar vor Beginn der Verengung jeweils im Wechsel nach einem auf dem durchgehenden Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug einordnen können (Reißverschlussverfahren).“ Mit dieser Regelung soll gewährleistet werden, dass möglichst lang der vorhandene Verkehrsraum genutzt werden kann. Ordnen sich alle Autofahrer bereits schon bei dem ersten Hinweis auf die kommende Fahrbahnverengung auf die frei bleibende Spur ein, wird der Wegfall der Spur früher umgesetzt als nötig und die Staugefahr wird größer. Im Idealfall bleiben also die Autofahrer auf ihrer Spur. Vor Beginn der Verengung sollte dann wie bei einem Schließen eines Reißverschlusses die Verzahnung zu einer Spur beginnen. Das heißt: Der Autofahrer vor der Verengung wechselt die Spur (Achtung: Blinker setzen und auch den Schulterblick nach hinten nicht vergessen!), der Autofahrer auf der freien Spur lässt ihn rein und fährt weiter. Jetzt sollte das nächste Fahrzeug einscheren dürfen. Wichtig ist dabei, dass beide Spurnutzer mit angepasster Geschwindigkeit unterwegs sind und der Sicherheitsabstand zum Vordermann nicht zu groß und nicht zu klein ausfällt. So kann das Wechselballett 1:1 zügig vonstattengehen.
Mittlerweile gibt es jetzt auf den Schildern, die auf die Fahrbahnverengung hinweisen, den Zusatz: „Reißverschluss erst in 200 m“. Und wenn der andere einen partout nicht hereinlassen will, sollte man nicht auf sein Wechselrecht bestehen. Denn beim Reißverschlussverfahren kommt der Grundsatz der besonderen Rücksichtnahme zu tragen. Erst wenn man gefahrlos auf die freie Spur fahren kann, sollte man dies tun.
Wer also auf der wegfallenden Spur bis zum Ende bleibt, macht es richtig. Wer sich zu früh einordnet, verschenkt Verkehrsraum und wer den anderen nicht einscheren lässt, verhält sich verkehrswidrig und kann mit einem Bußgeld belegt werden. Schlimmstenfalls kann ein solches Verhalten als Nötigung ausgelegt werden. Beschimpfungen, seien sie verbal und/oder mit Gesten zum Ausdruck gebracht, sind auch im Straßenverkehr nicht weiterführend. Wer ein Drängler oder ein Depp ist, lässt man besten nicht durch ein Gericht entscheiden. Das kann teuer werden.