Porsche: 50 Jahre VW-Porsche 914

Das aufregende Jahrzehnt mit Mondflug und Woodstock, Wirtschaftswunder und Studentenprotesten war fast passé, da gab Porsche noch einmal Gas.

Dynamik war 1969 gefragt, wie sie die Jugend forderte, wie sie der neue Bundeskanzler Willy Brandt versprach und eine Flut rasanter Sportwagen sie auf die Straßen brachte. Auf dem Scheitelpunkt dieser schnellen Welle: Der neue VW-Porsche 914, Deutschlands erster Großseriensportwagen mit Mittelmotor. Ein Zweisitzer, der mit rund 120.000 verkauften Einheiten in knapp sieben Jahren zum bis dahin meistverkauften Racer mit Triebwerk vor der Hinterachse avancierte. Kreiert wurde das Klappscheinwerfer-Modell in Kooperation zwischen Volkswagen, der Massenmarke des Wirtschaftswunders, und Porsche, dem schnellsten Statussymbol jener Jahre. Bei VW sollte der Sportler mit billigem Vierzylinder-Boxer den altgedienten Karmann-Ghia Typ 34 beerben, weshalb der 914 konsequent bei Karmann in Osnabrück gebaut wurde. Dagegen sollten die Zuffenhausener 2,0-Liter-Sechszylinder-Typen 914/6 die Funktion eines Einstiegsmodells in die Porsche-Welt übernehmen. Es war eine Rollenaufteilung, die von der eigens im April 1969 gegründeten „VW-Porsche-Vertriebsgesellschaft mbh“ verwaltet wurde, die aber ein gewaltiges Imageproblem für die ganze Baureihe beinhaltete. So sprach die Presse gleich von „Volksporsche“ oder gar „VoPo“ und auch nach Ansicht von Porsche-Fans taugte ein Volkwagen nicht als kleiner Bruder des 911.

Tatsächlich erfolgte die Markenschöpfung „VW-Porsche“ nicht ganz freiwillig. Ursprünglich hatten sich die Väter des 914, VW-Konzernchef Heinrich Nordhoff und Ferry Porsche, mündlich dahingehend verständigt, dass Zuffenhausen einen Mittelmotorsportler entwickeln sollte, der unter getrennten Marken vertrieben würde, also mit Wolfsburger Vierzylinder unter VW-Signet und mit Sechszylinder-Boxer als Porsche. Als jedoch Nordhoff 1968 einer Herzattacke zum Opfer fiel, reklamierte sein Nachfolger Kurt Lotz den 914 komplett für Volkswagen. Erst nach langen Verhandlungen einigten sich die Parteien auf einen europäischen Vertrieb unter dem Namen VW-Porsche.

Anders in Nordamerika, wo der 914 als „echter Porsche“ mit entsprechendem Logo verkauft werden konnte und sogar als Ersatz für den populären Porsche 912 mit Vierzylindermotor Akzeptanz fand. Tatsächlich wurden zwei Drittel der Mittelmotorsportler mit feststehendem Targa-Bügel in die USA exportiert, zumal die Amis in alle Open-Air-Renner mit herausnehmbarem Dachteil geradezu verliebt waren. Nicht zu vergessen der Mythos, der allen Mittelmotor-Porsche innewohnte. Schließlich war der VW-Porsche keineswegs der erste Sportwagen mit diesem Konzept ausgewogener Gewichtsverteilung zugunsten kurvenhungrigen Fahrverhaltens. Schon der allererste Porsche von 1948 begeisterte als offener Mittelmotorwagen. Gleiches galt für den legendären Porsche 550 Spyder, der in den 1950er Jahren auf Highways und Racetracks zu den Schnellsten zählte und mit Hobbyrennfahrer James Dean am Steuer zum Mythos stilisiert wurde.

„Der Sportwagen mit dem Rennwagenkonzept“, lautete denn auch der Werbeslogan zur Einführung des VW-Porsche 914, um dann en Detail zu erläutern: „In internationalen Rennen sind nur noch Wagen konkurrenzfähig, die ihren Motor in der Mitte haben. Konsequenz: Der VW-Porsche 914 hat einen Mittelmotor… Der Mittelmotor ergibt eine ideale Gewichtsverteilung auf den Achsen, lässt den Wagen weder unter- noch übersteuern.“ Auch die Fachpresse überschlug sich in Lobeshymen ob der Kurvenkünste des Zweisitzers mit markantem Targa-Sicherheitsbügel. Nur im Grenzbereich verlangte der VW-Porsche wie alle Mittelmotorautos eine besonders kundige Hand. Mit dem großen Bruder duellierte sich der 914 übrigens kurzzeitig auch als Rennversion. Der dafür in die Gruppe 4 Spezial GT eingestufte 914/6 brachte respektable 154 kW/210 PS auf die Piste.

Auch der serienmäßige VW-Porsche 914/6 war dem Porsche 911 T fast ebenbürtig, standen doch 81 kW/110 PS gegen 92 kW/125 PS bzw. 201 km/h Vmax versus 205 km/h. Sogar in der Preisliste trennten die beiden Sportler nur 1.000 Mark, mit der Folge, dass sich fast alle Zuffenhausener Stammkunden das kaum teurere Porsche-Wappen gönnten. Gerade einmal 3.338 Käufer konnte der 914/6 in drei Jahren begeistern, statt des ungeliebten Sechszylinders avancierte deshalb 1972 ein 2,0-Liter-Vierzylinder mit 74 kW/100 PS zum Spitzentyp der Baureihe. Der Sensationserfolg gelang jedoch dem Basis-914 mit einem 59 kW/80 PS leistenden Boxer aus dem VW 411. Keine 12.000 Mark kostete dieser wie alle 914 von Porsche-Designer Heinrich Knie in klaren, kantigen Linien gezeichnete Flachmann. Mit dem VW-Motor war der 914 ebenso preiswert wie ein Opel GT und etwa ein Viertel günstiger als vergleichbare Alfa Romeo GT oder der Lotus Europa mit Mittelmotor. Gegenüber klassischen Zweisitzern punktete der VW-Porsche überdies durch eine raffinierte werkseitige Extraausstattung: „Die Sitzbreite ist so großzügig bemessen, dass der Wagen bei Verwendung eines Zusatzkissens als Dreisitzer gilt“, behauptete die Pressemitteilung.

Richtig viel Platz fand sich letztlich nur in den zwei Kofferraumabteilungen an Bug und Heck: Insgesamt 460 Liter Volumen entsprechen immerhin fast dem Niveau heutiger Mittelklasselimousinen. Aber auch in anderer Hinsicht fuhr der lediglich 1,23 Meter hohe VW-Porsche der Zeit voraus. Sein leichtes Kunststoff-Hardtop ließ sich mit wenigen Handgriffen abnehmen und platzsparend unter dem Kofferraumdeckel einhängen – ein Prinzip, dem in den folgenden Jahrzehnten die meisten Sportler mit Targa oder T-Top folgten. Stilprägend waren zudem in die Karosserie integrierte Stoßfänger, die ab den Typen 914 2.0 und 1.8 komplett auf Chrom verzichteten. Plastik statt Chromstangen in Großserie, das wagte Porsche als erste Premiummarke.

Auch das Cockpit der Fahrmaschine brach mit Konventionen. Weg mit gediegenem Wurzelholz und einfallslos glatten Plastikflächen, her mit mutig-strukturierten Kunststoffen: Der 914 wies den Weg in die 70er Jahre. Die Alta Moda des Leichtbaus pflegten damals die Kunststoffflitzer von Alpine oder Lotus, dennoch waren die 940 Kilogramm Leergewicht beim 914/6 im Jahr 1969 eine Ansage. Unter den Sechszylindern besetzte der Sportler souverän die Rolle des Fliegengewichts und das mit Stahlblechkarosserie.

Als ob das noch nicht an Superlativen reichte, hatte der 914 auch noch motorische Pretiosen in petto. So freute sich Ferry Porsche über einen Porsche 914/8 mit 221 kW/300 PS starkem Achtzylinder-Rennmotor, den er 1969 als Geschenk zum 60. Geburtstag erhielt. Und 1972 kamen elf Porsche 916 auf die Straße mit fest verschweißtem Hardtop, aber bis zu 154 kW/210 PS kräftigen 2,7-Liter-Herzen. Erwerben ließen sich diese Leistungsträger nicht, aber sie zeigten das Potential des populärsten deutschen Sportwagens der frühen 1970er Jahre. Ersetzt wurde der VW-Porsche erst 1976 durch ein Modell, das ebenfalls auf einen Volkswagen-Entwicklungsauftrag zurückgeht. Aber das ist eine andere Geschichte, die des Porsche 924.

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