Das erst vor zwei Jahren gegründete Unternehmen Aiways eröffnete vor wenigen Wochen seine eigene Autofabrik, präsentierte jetzt in Genf das erste Serienmodell und will ein elektrisches SUV schon Anfang nächsten Jahres auch in Deutschland zum Schnäppchen-Preis von 30.000 Euro verkaufen. Damit alles noch schneller geht, werden die Neuwagen per Bahn von China nach Europa transportiert. Ein Schiff würde drei Wochen länger unterwegs sein.
Es geht um ein durchaus ansehnliches Auto, das schon optisch alles andere als ein Billigheimer ist. Der erste Aiways trägt die nüchterne Bezeichnung U5, verzichtet auf extravagantes Design und setzt auf Schlichtheit. Die Grundform des Fünftürers erinnert in der Silhouette ein wenig an den Opel Grandland X, die nahezu geschlossene, zentral lamellenfreie Frontpartie vermittelt die neue Modernität des E-Zeitalters. Der Innenraum gibt sich zweckmäßig, wird von einem 12,3-Zoll-Zentralmonitor beherrscht. Vor dem Fahrer ein Armaturengehäuse mit digitalem Bildschirm. Mechanische Bedienelemente sucht man im U5 vergeblich.
Alexander Klose, der deutsche Vertriebschef des ansonsten nur von Chinesen geführten Unternehmens aus Shanghai, gibt sich bescheiden, auch wenn er überraschende Daten des SUV verkündet. So liefert die Batterie eine Leistung von 63 kWh, versorgt einen Elektromotor mit 140 kW/190 PS mit einer Durchzugskraft von 315 Newtonmetern. Das Triebwerk, das bis zu 16.000 Umdrehungen pro Minute schafft, ist über der Vorderachse montiert und treibt deren Räder an. „Alles wurde in China entwickelt“, sagt Klose. „Es ist uns gelungen, die Leistungsfähigkeit auf ein Niveau zu heben, das batterie-elektrische Mittelklasse-SUVs in Europa bisher nicht erreichen.“
Dazu gehört auch das Laden der Batterie, wenn nach 460 Kilometern deren Kraft erschöpft ist. Mit „schnellem“ Gleichstrom dauert es 40 Minuten bis das Akku wieder zu 80 Prozent gefüllt ist. An der 6,65 kWh Wechselstrom-Dose im heimischen Carport vergehen etwas weniger als acht Stunden, bis die Batterie 95 Prozent an Kapazität erreicht. Nach einer „durchladenden“ Nacht ist der U5 also wieder startbereit. Alexander Klose, der früher bei Volvo und Ford als Asien-Chef unterwegs war, betont besonders die Einsatzfähigkeit bei Frost: „Die einzelnen Lithium-Ionen-Zellen haben ein eigenes Klimatisierungssystem, so dass auch bei extremer Kälte eine Reichweite von 300 Kilometern möglich ist.“
Und wie erklärt er, dass das Auto nur halb so viel kostet wie bekannte europäische Rivalen? „Wir haben ja mit einem weißen Blatt Papier angefangen und dabei den ganzen Produktionsprozess unter die Lupe genommen.“ Das Ergebnis ist laut Klose eine weitgehend automatisierte, effektive und somit kostengünstige Fertigung des U5. Beispielsweise kümmern sich 410 Roboter um den Karosseriebau, stanzen pro Minute 30 Rohkarossen aus Aluminium und Stahl und übergeben dann an 39 Lackierroboter, die den Anstrich erledigen.
Trotz des vergleichsweise niedrigen Einstiegspreises müssen künftige Kunden nicht auf die Segnungen der Elektronik und Vernetzung ihres U5 verzichten. Die bekannten Assistenzsysteme moderner Autos wie Abstandsradar, Spurhalte- und Bremsassistent oder auch Staufolge-Automatik sind an Bord. Unverzichtbar auch die Anbindung per Internet. Smarthome-Funktionen wie Licht- oder Heizungssteuerung der eigenen Wohnung sollen auch vom Auto aus erledigt werden können.
Für einen günstigen Verkaufspreis sorgen laut Alexander Klose auch neue Ideen bei Verkauf und Vertrieb. Bestellt wird per Internet, Probefahrten organisieren Partnerfirmen. Ein klassisches Händlernetz soll es nicht geben. Sind Reparaturen nötig, kann sich der Kunde irgendeine nahegelegene Werkstatt aussuchen, die dann von einem Netzwerk an Partnerunternehmen mit Ersatzteilen versorgt wird und genaue Anleitungen für die Reparatur erhält. Klose: „Wichtig ist uns dabei, dass unsere Hotline ausschließlich mit unseren Fachkräften und nicht mit firmenfremden Callcenter-Mitarbeitern besetzt ist.“
Klingt alles fast zu schön, um wirklich wahr zu sein. Ein geräumiges Elektroauto mit großer Reichweite und kompletter Ausstattung an elektronischen Helfern für 30.000 Euro Kaufpreis oder speziell zugeschnittenen Leasingangeboten können europäische Hersteller bislang kaum bieten. Wobei Verkaufschef Klose die 30.000-Euro-Grenze noch reißen will. „Wer mit weniger Reichweite auskommt und deshalb mit einer kleineren Batterie unterwegs sein will, kann nochmal ein paar tausend Euro sparen.“
Zurzeit kann Aiways nur 150.000 Exemplare des U5 pro Jahr bauen, in zwei Jahren sollen es doppelt so viele sein.