Tradition: 30 Jahre Lexus und Infiniti

Die Frage, wann genau Zukunft beginnt, lässt sich nicht so einfach beantworten. Aber der Zeitpunkt, wann Luxusautos in die Zukunft fahren würden, stand für die Japaner fest: Im Januar 1989 lancierten die damals größten Nippon-Marken Toyota und Nissan ihre Edel-Divisionen Lexus und Infiniti. Zwei Marken, die schon phonetisch und dem Wortsinn nach unendlichen Luxus verkörperten und diesen in ihren Flaggschiff-Limousinen LS 400 sowie Q45 auf der Detroit Auto Show vor 30 Jahren ins Rampenlicht stellten.

Die Europäer hatten das Auto erfunden und die Amerikaner das Fließband für bezahlbare Volumenfahrzeuge eingeführt, jetzt wollte das Land der aufgehenden Sonne zeigen, wie wahrer Luxus geht. Lieferten die eleganten Lexus und Infiniti im Format von Mercedes S-Klasse, BMW 7er oder Jaguar V12 doch Komfort und fast perfekte Qualität für höchste Kundenzufriedenheit zum halben Preis der etablierten Platzhirsche. Klar, dass diese Kampfansage für Unruhe in Untertürkheim, München und England sorgte, zumal Lexus und Infiniti auch in den Verkaufsstatistiken sofort nach den Sternen griffen. Schnell war in den Medien von einem neuen Urknall in der Premiumliga die Rede und entsprechend hoch waren die Erwartungen, als sich Lexus 1990 nach Deutschland wagte. Doch in der Alten Welt zählen Werte wie Markentradition und flächendeckendes Händlernetz mehr als serienmäßige Vollausstattung oder fernöstliche Formen, weshalb sowohl die feine Toyota-Tochter als auch Infiniti in Europa bis heute Nebendarsteller sind.

Die Kunst buddhistischer Bescheidenheit wird in Japan groß geschrieben, diesem Land, das sich als Wiege des Minimalismus und kleiner Kei-Cars versteht. Entsprechend verblüfft reagierte die Fachwelt, als das Entwicklungsziel des Toyota-Konzernchefs, Eiji Toyoda, publik wurde: Der Lexus LS 400 sollte als neuer Maßstab in der Luxusklasse reüssieren und den alten Autoadel deklassieren durch raffinierte Fertigungspräzision und einmaligen Kundenservice zum fairen Preis. Die Fahrzeuge mit Stern, Jaguar und sogar Emily im Visier hatte aber auch der Infiniti Q45, der seine anspruchsvollen Käufer mit einem Komforterlebnis verwöhnen wollte, wie sie es sonst nur von den Four Seasons-First-Class-Hotels kannten. Als erste neue Luxuslabels seit dem Zweiten Weltkrieg gönnten sich Lexus und Infiniti fünf Jahre Vorbereitungszeit, um die Wünsche der automobilen High Society zu analysieren. Nicht nur die Fahrwerkserprobung beider Modelle erfolgte in Deutschland, Lexus entschied sich im Frühling 1989 sogar zur Pressepräsentation des LS 400 in der Höhle des Löwen, der Heimat der erfolgreichsten Premiummarken der Welt.

Zuvor hatten Lexus und Infiniti die nüchterne Autoshow in Detroit in einen rauschenden Debütantenball verwandelt, bei dem LS 400 und Q45 andere Premierengäste wie Audi V8 und Lincoln Towncar ins Abseits stellten. „Welt der preiswerten Wunder“ und „Von jedem das Beste“, lauteten die Schlagzeilen der deutschen Medien über die flüsterleisen japanischen V8, die ein sensationelles Garantiepaket über vier Jahr inkludierten statt der damals üblichen zwölf Monate. Neu waren auch Annehmlichkeiten wie die beheizten und elektrisch verstellbaren Sitze mit Memoryfunktion im LS 400, während der Infiniti mit technischen Finessen wie Allradlenkung und exklusiven, italienisch inspirierten Designlinien beeindruckte.

Beide Marken flankierten ihren Auftakt durch etwas kleinere Modelle (Infiniti M30 und Lexus ES), die letztlich aufgebrezelte Nissan- und Toyota-Typen waren und vom Glanz der Luxusliner LS beziehungsweise QX profitierten. Schon im zweiten vollen Verkaufsjahr war Lexus in den USA der erfolgreichste Oberklasse-Importeur und auch Infiniti bedrängte BMW und Audi, zudem räumten die noblen Nippons so ziemlich alle Preise für Kundenzufriedenheit und Qualität ab. Kein Wunder, dass dem Lexus LS 400 zum Deutschlandstart 1990 bereits der Ruf vorauseilte, in vielen Qualitäten besser zu sein als der Stern. Dann die Überraschung: Mit knapp 90.000 Mark war die Limousine hierzulande kein Sonderangebot, sondern mitten im Wettbewerbsumfeld eingepreist. Dementsprechend verhalten fielen die Verkaufszahlen aus. Daran änderten auch der 1993 nachgelegte und von Stardesigner Giugiaro gezeichnete Lexus GS und der 1998 lancierte kompakte Lexus IS wenig, erst das SUV-Modell Lexus RX machte sich im Umfeld der praktisch zeitgleich vorgestellten Mercedes M-Klasse und BMW X5 ausgesprochen gut. Zumal Lexus mit dem RX 400h in den frühen 2000er Jahren als erster Oberklasse-Hersteller auf Hybridtechnik setzte und in dieser Nische lange eine Alleinstellung besetzte.

Auch Infiniti erwarb sich mit SUV-Typen wie FX und QX ab 2003 frische Anerkennung und konnte nun erstmals mehr als 100.000 Einheiten pro Jahr verkaufen. Erst jetzt wurde Infiniti weltweit aktiv und wagte schließlich 2009 den Sprung nach Deutschland. Formel-1-Champion Sebastian Vettel bewirkte als Markenbotschafter schnell globale Bekanntheit. Allerdings blieb das Vertriebsnetz von Infiniti hierzulande so klein, dass die Verkaufszahlen der SUV und Limousinen trotz attraktiver Diesel- und Hybridmotorisierungen bis heute auf dem Niveau exklusiver Sportwagenmarken dümpeln. Auch Lexus zählt nach wie vor zu den Zwergen in der deutschen Zulassungsstatistik. Dabei wurde das Modellprogramm konsequent ausgebaut durch Nürburgringstars wie die Hochleistungslimousine IS-F (ab 2008) oder den Hightech-Racer LF-A (ab 2009), aber auch mit kompakten Hybriden wie dem CT 200h für Kunden, denen das Basisfahrzeug Toyota Prius zu profan ist. Nicht zu vergessen die SUV-Flotte aus Lexus RX (ab 1998), NX (ab 2014) und UX (ab 2019) und neue Luxus-Coupés wie RC und LC.

Ist der Sturm der edlen Samurai auf die Bastion der europäischen Premiumbauer also nach Anfangserfolgen gescheitert? Keineswegs. Lexus feierte schon 2016 die Auslieferung des millionsten Hybridmodells und glänzt trotz mancher Rückschläge weiterhin auf dem nordamerikanischen Nobelmarkt. Auch in Russland, Nahost sowie China gilt Lexus als Synonym für Luxus. Dazu beigetragen haben gewaltige Geländekreuzer wie der über drei Tonnen schwere LX 570 und eine exaltierte Designsprache, die zu Diskussionen anregt. Ähnlich virtuos spielen die prägnant gezeichneten Infiniti die Crossover-Karte auf diesen Märkten und dafür haben die Japaner ihr Hauptquartier schon 2012 in die chinesische Sonderverwaltungszone Hong Kong verlegt.

Der Durchbruch in Deutschland will zwar nicht wirklich gelingen, aber die Asiaten sind geduldig und fürs internationale Image bleibt es wichtig, hierzulande die Rolle des komfortbetonten Gegenpols zu den schwäbischen und bayerischen Autobahnrasern zu spielen. Hybrid nach japanischem Vorbild haben die Teutonen zwar inzwischen auch gelernt, in puncto Kundenzufriedenheit bleiben Lexus und Infiniti jedoch global vorn. Wie es weiter geht? Pünktlich zum 30. Geburtstag präsentiert Infiniti das erste vollelektrische SUV mit Nippon-DNA und Lexus weckt Erwartungen auf eine Brennstoffzellenversion seines Luxusliners LS.

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