Mach's gut, Hasi! Wenn Sie bei dieser Verabschiedung an eine besorgte junge Dame denken, die ihren Angetrauten jungverliebt in den Tag schickt, liegen Sie zumindest hier falsch: Es war eine Mutter, die ihre erwachsene Tochter mit diesen Worten ins Vorstellungsgespräch schickte. Im Foyer des Gebäudes, in welchem das Vorstellungegespräch stattfand – und in Anwesenheit derer, bei denen sich die junge Frau bewerben wollte. Man kann sich denken, wie diese Unterhaltung ausging.
Viel ist schon geschrieben worden über Helikoptereltern, solche also, die es mit der Fürsorge gegenüber dem Nachwuchs kräftig übertreiben. Lassen wir mal das Theoretisieren beiseite und widmen uns der Frage, wer wie heutzutage helikoptert – und warum.
Es ist schon zum Haareraufen, was die Autorin da zusammenträgt. Eltern, die entscheiden wollen, neben wem der schulbesuchende Nachwuchs in der Klasse nicht sitzen darf, solche, die sich für das Essen in der Schulkantine interessieren, als sähen sie sich in der Rolle des Vorkosters – bio und fleischarm soll es bitte sein, was aber heute tatsächlich ernährungswissenschaftliches Grundwissen ist und keines Vorkosters bedarf, Eltern, die die Teilnahme am Klassenausflug schlicht aus der Angst heraus verbieten, es könne dort etwas passieren. Und die titelgebende Idee zum Buch hatte der entsprechende Elternteil tatsächlich auch ernst gemeint.
Richtig schlimm wird das Phänomen der Kontrollitis aber tatsächlich, wenn es ins Leben der erwachsenen Kinder hineinreicht. Dabei ist das erwähnte Hasi fast noch das kleinste Übel. Wenn da jemand im Unternehmen nicht so spurt, wie es dem zweibeinigen Helikopter genehm ist, fliegen schon mal allerlei Unfreundlichkeiten durch den Hörer. Oder; Alle Überbesorgnis hat den Anstellungsvertrag merkwürdigerweise nicht verhindert. Dann kommt der Papa am ersten Arbeitstag mit. Auf die Idee, dass der oder die Neue in der Firma den Weg übers – große – Firmengelände bis zum künftigen Arbeitsplatz schon schaffen werde, kommt er nicht. Und sieht darin, dass der Arbeitgeber genau das voraussetzt, eine grobe Verletzung der Fürsorgepflicht: Der Arbeitgeber habe schließlich den Neuling abzuholen und zum neuen Arbeitsplatz zu begleiten…
Als einer vom Jahrgang 1966 und Sohn einer alleinerziehenden Mutter habe ich mich beim Lesen manchmal gefragt, wie ich ohne Helikoptereltern 51 werden konnte, und das auch noch bei guter Gesundheit. Ganz offensichtlich ist aber den so besorgten Eltern überhaupt nicht bewusst, dass sie genau diese Gesundheit der Kinder gefährden. Die seelische – sprich: die Fähigkeit, sich im Alltag zurechtzufinden. Und sie bei ihren Mitmenschen oft genug nach Kräften blamieren.
Wie kommt man als Sprössling aber aus der Nummer raus? Genau das schaffen die so überbehüteten Kinder nur, wenn sie das Tun der Eltern irgendwann mit Humor sehen und sich ganz klassisch abnabeln. Die Pubertät ist ein guter Zeitpunkt, das zu forcieren – die gilt seit jeher als die Zeit, in der die Eltern so oder so schwierig werden.
Fassungslos machte mich allerdings eine Studentin von Anfang 20, die sich hier überaus positiv dazu äußerte, so fürsorglich behandelt zu werden. Mama erledige alles Haushaltliche, sie könne sich ganz auf ihr Studium konzentrieren, und nur so habe sie das in der Regelstudienzeit bewältigt. Und bei anstehenden Referaten habe sie die ganze Familie eingespannt. Genau das ist nicht der Sinn von Studienleistungen – die hat man alleine zu leisten oder im vom Dozenten geförderter Gruppenarbeit. Dieses Einspannen kann man auch als eine – vielleicht noch nicht mal justitiable – Form akademischen Betrugs interpretieren. Aber vielleicht ist der über 50-jährige da seinerseits auch überkorrekt …
Lena Greiner/Carola Padtberg: Verschieben Sie die Deutscharbeit – mein Sohn hat Geburtstag! Ullstein Verlag; 9,99 Euro.