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Eigentlich ist die Kunst der Bescheidenheit ein Charakteristikum der japanischen Kultur. Weniger ist mehr, gerade im Land der aufgehenden Sonne, der Wiege des Minimalismus. Ein Grundsatz, der auch bei Toyota galt – bis zur Präsentation des Prius im Spätherbst 1997. Mit dem ersten in Großserie gebauten Hybridfahrzeug holte der Autobauer gleich zum Doppelschlag aus, wollten die Japaner doch nicht weniger als den Autoantrieb neu erfinden und nebenbei die (Um-)Welt retten. Eine Zielvorgabe, die Toyota-Präsident und Chefentwickler Fuijo Cho fünf Jahre zuvor anlässlich der Vorstellung einer Umweltcharta explizit gesetzt hatte: „Es ärgert mich, wenn es heißt, dass Japan noch keinen Beitrag zur Entwicklung des Automobils geleistet hat.“

Tatsächlich kam es zumindest teilweise so, wie von Fujio Cho erhofft. Hybrid fahren gilt seit 20 Jahren als ökologisch wertvoll und so stylish, dass sich umweltbewusste Promis und Politiker nur zu gerne mit einem eigenwillig geformten Prius auf den roten Teppich fahren lassen. Und der Toyota-Konzern wurde Innovationsführer, gelang es ihm doch, die Hybridisierung zu einem Hype zu machen, dem heute die meisten Hersteller folgen. Zum Massenphänomen in über zehn Millionen Autos wurde die Kombination aus Benziner und Elektromotor aber nur mit Toyota- und Lexus-Logo. Was an der japanischen Tugend liegen könnte, besonders beharrlich schwierigste Ziele zu verfolgen.

So wie Mazda als einzige Marke den Wankel in Millionenauflage brachte und Subaru mit kostspieligen Boxermotoren zum größten Allradhersteller aufstieg, gelang es Toyota als erstem Unternehmen die komplizierte Hybridtechnik massentauglich zu machen. Eine Aufgabe, der sich Europäer bis dahin nicht gewachsen fühlten. Schließlich gibt es die Idee des Hybrid-Autos schon seit dem Jahr 1900, als Ferdinand Porsche für die Wiener Firma Lohner ein Fahrzeug mit der Kraft der zwei Herzen konstruierte. Auch der Versuch von Audi, den Typ Duo (alias 80 Avant) als Diesel-Plug-in-Hybrid zu vermarkten, endete in den 1990er Jahren nur in einer Kleinserie. Dagegen nahm sich Toyota viel Zeit, erforschte seit 1965 die Grundlagen des Hybridantriebs, ehe 1977 mit dem Sports 800 ein Vorreiter der aktuellen Hybridtechnik gezeigt wurde und 1992 die Startampel für die Serienentwicklung des Prius auf Grün schaltete. Eine derart langfristige Entwicklungsinvestition ist typisch für japanische Unternehmen, die gegenüber ihren Anteilseignern keine kurzfristigen Gewinne ausweisen müssen. Aber auch die Verbissenheit, mit der die Schwachpunkte des Hybrids eliminiert wurden, findet sich vor allem bei Samurai.

So erhielt Toyota-Vorausentwickler Takeshi Uchiyamada 1994 die Vorgabe, den Benzinverbrauch des projektierten Prius noch einmal zu halbieren und gleichzeitig die Markteinführung um sechs Monate auf Dezember 1997 vorzuziehen, passend zur Weltklimakonferenz in Kyoto. Gesagt, getan. Uchiyamada setzte alle Ingenieure in einen Raum des Entwicklungszentrums, wo sie gemeinsam an Lösungen arbeiteten, statt unabhängig in ihren Abteilungen zu tüfteln. Das Ergebnis: Im Formel-1-Tempo realisierten die Entwickler einen Prius Prototyp, der 1995 öffentlich präsentiert wurde und trotz eigenartigen Stufenheckdesigns positive Schlagzeilen machte. Im nächsten Schritt folgte im August 1997 der Kleinbus Toyota Coaster mit seriellem Hybridantrieb und zur Tokyo Motorshow – zwei Monate vor der Kyoto-Konferenz – verblüffte der Prius als leistungsverzweigter Vollhybrid die Weltöffentlichkeit. Leistungsverzweigt bedeutet dabei, dass Benzin- und Elektromotor entweder unabhängig voneinander oder aber gemeinsam das Fahrzeug antreiben – anders als im Coaster. Und auch anders als im ersten hybriden Honda, dem Coupé Insight, das 1999 startete und nicht ohne Verbrenner fuhr.

Technisch ganz neu für die sich damals gerade etablierende Generation @ und alle grün denkenden Avantgardisten, im Design aber ganz schön schräg, so zündete der Prius 1997 das Hybridzeitalter in Japan. Zwei Jahre später wurde der Prius die Ikone amerikanischer Öko-Trendsetter und als im Jahr 2001 die ersten Autos mit 71-PS-Benziner und 45-PS-Elektromotor in Deutschland eintrafen, jubelten die Medien: „Hier fährt die Zukunft!“ Endlich reichten die Produktionskapazitäten bei Toyota für den globalen Vertrieb, nur kaufen wollte den 44.400 Mark teuren Kompakten im Land der Automobilerfinder Daimler und Benz kaum jemand. Schließlich gab es für dieses Geld auch repräsentative BMW 3er und fast einen Mercedes 190 – und der VW Golf Diesel war nicht nur bezahlbarer, sondern auch im Verbrauch knausriger als der Prius, der nur auf Kurzstrecken und in Ballungsräumen brillierte.

Der zweiten, im Jahr 2003 eingeführten Prius-Generation erging es hierzulande trotz attraktiverer Preisgestaltung und futuristischer Formen nicht viel besser. Dieselmodelle fuhren weiterhin billiger und der Promi-Bonus als Kultcar von Hollywoodstars, amerikanischen Vegetariern und Avantgardisten nützte dem Toyota in Europa nicht genügend. Auch der Gewinn von Qualitätspreisen, Sensationsmeldungen wie „Toyota Prius Taxi fährt eine Million Kilometer“ oder das 2007 erfolgte Postulat einer deutschen Grünen-Politikerin „Leute, kauft Hybrid-Autos von Toyota!“ beflügelten den Absatz in Deutschland nicht nachhaltig.

Zehn Jahre benötigten Toyota und die Nobeltochter Lexus, um eine Million Hybridfahrzeuge zu verkaufen, heute gelingt dem Duo das in zehn Monaten. Endgültig hip wurde die alternative Antriebstechnik in Europa im Jahr 2009, statt der eingeplanten 10.000 Prius III konnte Toyota damals 180.000 Bestellungen verbuchen. Eine Kombination aus politischem Druck über Kfz-Steuern und City-Maut-Modelle sowie die zunehmende globale Sorge vor dem Klimawandel und die Faszination des kurzzeitigen elektrischen Segelns ohne lästige Suche nach einer Steckdose zum Laden der Batterie führten allmählich zum Umdenken in der alten Welt.

Die Konkurrenz hatte die neue Technik nicht verschlafen, aber weder Honda noch Ford, GM, Peugeot, Volvo oder die zaghaft reagierenden deutschen Marken konnten auch nur annähernd ähnlich respektable Stückzahlen melden. Der Prius nutzte die Gunst des Vorsprungs 2011 noch einmal, seinem Modellnamen („zuerst“) Ehre zu machen und zeigte sich als weltweit erster Plug-in-Serienhybrid sowie als Van (Prius +). Gleichzeitig schob Toyota Hybridtypen in fast allen Klassen vom kleinen Yaris bis zum RAV4 nach. Als sich dann die heute aktuelle Ausgabe des Prius vorstellte, gelang dem zwischenzeitlich größten Autobauer der Welt noch einmal eine Überraschung – gab es doch bis auf ein Solardach-Aufladesystem im Plug-in-Hybrid nichts entscheidend Neues. Vielleicht, weil Toyota längst an den nächsten Schritt denkt und nun mit Brennstoffzellenautos wie dem Mirai die Welt retten will. Für diesen begeistert sich zum 20. Hybrid-Jubiläum auch der Roboter Yuto im Werbefilm. Fast schon zu begeistert, findet seine virtuelle Freundin Auris Hybrid. Zumal Toyota das Segment konventioneller Stromer der Konkurrenz zu überlassen scheint.

Text: Wolfram Nickel/SP-X
Fotos: Toyota/SP-X

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