Die Eifel kann selbst Ende Juli ein grausamer Ort sein. Temperaturen von knapp 14 Grad mischen sich heute mit fiesem Nieselregen und kalten Herbstwind. Die 20 aus den USA angereisten Fans der Viper leiden unter dem deutschen Sommer. Sie haben bei einer Crowdfunding-Kampagne, die über 175.000 Dollar eingebracht hat, jeweils mindestens 5.000 Dollar gespendet – manche noch mehr. Zur Belohnung wurden die spendabelsten Hardcore-Anhänger für den Rekordversuch der Viper ACR an den Nürburgring geflogen.
Rekordversuch? Ja, richtig gelesen. In den USA ist man anscheinend so vom stärksten Viper-Modell überzeugt, dass man dem V10-Brummer dort zutraut, den aktuellen Bestzeiten-Inhaber Lamborghini Huracán Performante vom Nordschleifen-Thron zu stoßen. Im Herbst 2016 umrundete der italienische Sportwagen den 20,8 Kilometer langen Nürburgring in nur 6:52 Minuten – fünf Sekunden schneller als der Porsche 918 Spyder, der bis dahin der schnellste Serien-Sportwagen auf der Nordschleife war.
Zwar fuhren der Nio EP9 (6:45 Minuten) und der McLaren P1 LM (6:43 Minuten) schnellere Rundenzeiten als der Huracán, sowohl der elektrische Nio als auch der brutale P1 erfüllen aber nicht die Ansprüche für ein Serienfahrzeug, auf die sich die Nürburgring-Gemeinde über die letzten Jahre geeinigt hat. Der Nio fuhr auf profillosen Slicks – Straßenreifen sind eigentlich Pflicht – und der P1 LM ist ein Rennfahrzeug, das für die Straße umgerüstet wurde und von dem lediglich fünf Stück entstehen. Nun nimmt sich die Viper also den Rekord des Huracán vor. Auf der einen Seite ein hochtechnischer Sportwagen mit aktiver Aerodynamik und einem extrem schnellen Doppelkupplungsgetriebe und auf der anderen Seite ein amerikanisches Urvieh mit gewaltigen Spoilern und feuerspuckenden Sidepipes.
Die Idee, die Viper, deren Produktion diesen Sommer eingestellt wird, mit einem Knall zu verabschieden, stammt von Russ Oasis. Er ist der Chef der „Viper Owners Association“, dem größten Viper-Fanclub der Welt. Nachdem über 400 Fans schließlich genug Geld für den Rekordversuch gespendet hatten, stellte Viper-Händler Bernie Katz zwei Fahrzeuge zur Verfügung und verschiffte diese vom sonnigen Texas in die nasse Eifel. Am Steuer der beiden Giftschlangen sitzen die GT-Renn-Profis Dominik Farnbacher und Luca Stolz. Unterstützt wird das Ganze sowohl von Kumho, deren Reifen als Erstausrüsterprodukt auf dem Fahrzeug zum Einsatz kommen und von Mintgen Motorsport, die schon seit Jahren diverse Viper-Modelle im Renneinsatz – oft auch auf der Nordschleife – betreuen.
Von den rund 177.000 per Crowdfunding-Projekt gesammelten US-Dollar dürfte der Löwenanteil für die reine Logistik und für die Streckenmiete draufgehen. Eine ganze Stunde (von zwölf bis 13 Uhr) gehört der Ring heute den beiden V10-Sportlern mit 8,4 Liter Hubraum und 481 kW/654 PS. Doch schon am frühen Morgen macht sich Ernüchterung breit. Die Eifel zeigt sich von ihrer typischen Seite: Es regnet. Zwar kommt immer mal wieder die Sonne raus und lässt den Asphalt trocknen, doch ausgerechnet in den wichtigen Minuten kurz vor zwölf öffnet der Himmel erneut seine Schleusen. Betretene Gesichter. Bernie Katz winkt ab und beschließt: heute keine Rekordrunden. Es wäre einfach zu gefährlich. Stattdessen nutzt das Team die freie Strecke für Video- und Fotoaufnahmen.
Denn beendet ist das ungewöhnliche Projekt noch nicht. Bis Ende August sollen die Autos in Deutschland bleiben und irgendwann dürfte sich dann auch ein sonniger, trockener und kühler Tag finden, an dem das bunte Team zeigen kann, was im Auto, den Kumho-Reifen und den beiden Fahrern steckt. Vielleicht schon in den nächsten Tagen. Denn das laute Grollen der Viper ist schon wieder bei Testfahrten auf der Nordschleife zu hören. Ferien machen die Viper-Fans hier nicht. Sie haben eine Mission: Den schnellsten Serien-Sportwagen am Ring zu stellen.
Text: Max Friedhoff/SP-X
Fotos: Kumho/SP-X