Auch Jahre nach einem Verkehrsunfall kann man immer noch Ansprüche durchsetzen. Insbesondere hinsichtlich der Langzeitfolgen einer Verletzung. Vorsicht geboten ist aber bei Abfindungserklärungen, die alle Ansprüche abdecken sollen.
So kann man noch die Kosten für ein Zahnimplantat auch Jahre nach dem Verkehrsunfall geltend machen, wenn der Zahn zunächst als Stiftzahn versorgt worden war. Voraussetzung ist, dass es zu einer Zahnwurzelentzündung gekommen ist. Dieser Anspruch ist nicht von einer Teilabfindungserklärung gedeckt, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main am 12. Mai 2016 (AZ: 17 U 122/14).
In dem von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitgeteilten Fall wurde der Mann 1998 Opfer eines Verkehrsunfalls. Dabei verletzte er sich auch einen Vorderzahn. Der Zahn wurde durch einen Stiftzahn ersetzt. Im September 2003 vereinbarten die Unfallgegner eine Teilabfindungserklärung. Damit sollten alle Ansprüche aus dem Unfallereignis gegen die Zahlung von 25.000 Euro abgegolten sein. Eine der Ausnahmen sollten zukünftige „unfallbedingte vermehrte Bedürfnisse“ sein.
Als sich 2012 die Zahnwurzel entzündete, musste der Zahnarzt den Stiftzahn ersetzen. Der Mann beantragte die Kostenübernahme für ein Zahnimplantat. Die gegnerische Versicherung lehnte dies ab und verwies auf die Abfindungserklärung. Heilbehandlungen seien davon umfasst, deshalb habe der Mann keinen Anspruch. Das Landgericht hatte der Versicherung noch Recht gegeben. Der Mann blieb aber hartnäckig und hatte mit seiner Berufung Erfolg vor dem Oberlandesgericht.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die Zahnwurzelentzündung auf den Unfall zurückzuführen. Durch den Stiftzahn sei die Wurzel beschädigt worden. Die erneute Behandlung auch Jahre nach dem Verkehrsunfall sei nicht von der Teilabfindungserklärung aus dem Jahre 2003 abgedeckt. Bei der Behandlung jetzt handele es sich um ein „vermehrtes Bedürfnis“. Demnach seien alle Nachteile auszugleichen, die dem Verletzten in Folge der Beeinträchtigung entstehen.
Es gehe auch nicht um eine Heilbehandlung der Zahnwurzelentzündung. „Vielmehr geht es darum, dass der Kläger seinen Zahn, der zunächst noch durch einen Stiftzahn erhalten werden konnte, aufgrund des unfallbedingten Zahntraumas verloren hat und nunmehr die entstandene Zahnlücke durch Zahnersatz versorgt werden muss“, so das Gericht. Es handele sich also um Mehrausgaben für eine Behandlung, die nicht der Heilung sondern der langfristigen Linderung des Leidens des Geschädigten diene.
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