Buchtipp – Wittkamp: Poste deine Darmspiegelung

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Nicht missverstehen: Ich bin froh, dass wir die Social Media haben. Mit Freunden, die einen sehr vollen Arbeitstag haben, kann man sich ruckzuck austauschen, ohne alles Mitzuteilende aufs nächste Treffen in ein paar Wochen zu verschieben – weil's früher einfach nicht drin ist. Und wen es vom Saarland beruflich nach Berlin verschlagen hat, kann mir mal eben ein Foto posten, wenn's was zu sehen gibt. Das geht immer noch schneller als ein Flug von Saarbrücken in die Hauptstadt, um alles persönlich anzugucken.

Aber es gibt ja noch die andere Seite. Die ich für maßloses Übertreiben halte. Und die nimmt Peter Wittkamp in seinem Buch auf die Schippe. Das Buch hält, was der gnadenlose Titel verspricht.

Besonders gewitzt: Seine Kritik an der übertriebenen Nutzung hat er in eine Anleitung umformuliert. Folgt man seinen Tipps, ist man garantiert auf dem besten Wege, als Social-Media-Nutzer seine Kontakte, sorry, nur noch zu nerven.

Wenn jemand kurz nach 6 Uhr früh aufsteht und vom Fenster auf ein brennendes Auto blickt, macht es Sinn, das zu posten. Nicht nur, weil es eher selten vorkommt, sondern Nutzern signalisiert: Da besser nicht langfahren, sondern einen Umweg nehmen, wer weiß, wann da wieder normale Straßenverhältnisse herrschen. Aber die simple Information Aufgestanden 🙂 an die gesamte Gemeinschaft, pardon, Community, ist doch überflüssig. Wissenschaftler sagen dann: Es fehlt der intersubjektive Erkenntniswert. Vereinfacht: Interessiert niemanden.

Ob es um eine Nachricht aus einer Konferenz, ähm, aus einem Meeting heraus geht, die Mitteilung der aktuellen Befindlichkeit (langeweilig) oder ein Sprüchlein, das irgendwie weise klingt, an dem aber nur der konfettibunte Hintergrund im Bild neu ist… Peter Wittkamp zeigt Ihnen, wie Sie eine ganze Social-Media-Chronik inhaltsleer und auf den ersten Blick beeindruckend füllen. Die Ernsthaftigkeit, mit der er das tut, hat schon britischen Humor. Dass es Sie beim Lesen immer auf dem Stuhl hält (oder im Schlafgemach, falls Sie zu den Am-Abend-noch-ein-paar-Seiten-Lesern gehören), kann ich nicht versprechen. Lachanfälle sind vorprogrammiert.

Ich persönlich habe aus Wittkamps Büchlein nicht nur gelernt: Weniger ist auch hier mehr. Sondern ich werde meinem vielbeschäftigten Kumpel eine Nachricht schicken: Wir können uns ja weiterhin elektronisch schreiben, aber jetzt lass uns wirklich mal ein Bier trinken gehen. Das funktioniert immerhin garantiert nicht von PC zu PC. Oder von Smartphone zu Smartphone.

Peter Wittkamp: Poste deine Darmspiegelung. In 42 Lektionen zum perfekten Internetnutzer. Knaur Taschenbuch Verlag; 9,99 Euro.

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