22 Monate sind jetzt vergangen, seit sie Berlin verlassen hat. Aber sie musste schon öfter ihren Zeitplan ändern. Dass sie ausgerechnet den Wonnemonat Mai alleine in Chile verbringt und ihr Hudson Great Eight (Hudo) in einer Klinik auf Vordermann gebracht wird, das hat ihr niemand geflüstert.
Genau sieben Wochen liegen zwischen Ostern und Pfingsten. Aber dass sie diese Zeit ohne Hudo verbringen würde, hat keiner voraussehen können. Hudo's Herz und Nieren und überhaupt alles wurde von ihren Oldtimerfreunden in Vina del Mar von Grund auf erneuert.
Sowas dauert. Gut Ding will Weile haben. Die Mechaniker in ihrer letzten Werkstatt im argentinischen Mendoza hatten doch eine Menge Mist gebaut, und jetzt hieß es, diese Schäden von richtigen Fachleuten und Kennern dieses Oldtimers wieder in Ordnung bringen zu lassen.
Tja, wie kommt man denn an so eine gute Werkstatt? Mitten in Chile? Heidi Hetzer ist – das wissen wir – nicht auf den Mund gefallen und sehr kommunikativ. Sie geht auf die Menschen zu, spricht mit ihnen und hat sehr schnell Kontakt. So war es denn auch im Marriott Hotel in Santiago de Chile. Jeden Freitag tagt hier der Club der Oldtimerfreunde. Heidi musste viel erzählen.
Und genau hier fand sie die richtigen Menschen, die den Motor ihres Hudo von Grund auf erneuern konnten. Naja, einige Teile musste sie per Fracht von irgendwo her auf der Welt einfliegen lassen. Das dauerte zwar auch wieder eine Weile, aber sie wusste Hudo in den allerbesten Händen.
In der Zwischenzeit pendelte sie zwischen Vina del Mar und Valparaiso und fand unter anderem das Jidimar Museo mit ganz vielen Oldtimern. Ihre Augen quollen über vor Freude. Sie war vom Deutschen Botschafter in Santiago eingeladen. Ihr neues I-Pad war eingetroffen und den Geldbeutel trug sie fortan in einer Bauchtasche.
Dann kam der 6. Mai. Ein denkwürdiger Tag. In vielerlei Hinsicht: Margot Honecker war gestorben. Diese kaltherzige und selbstgerechte Dame lebte in Santiago de Chile. Alle Welt dachte, dass sich diese beiden VIPs doch kennen müssten. Weit gefehlt: Heidi wusste zwar, wer Margot Honecker war, aber persönlich kannten sie sich überhaupt nicht. Und ehrlich gesagt, hielt sich Heidi's Trauer stark in Grenzen. Sie wollte zwar zu ihrer Beerdigung nach Santiago fahren. Aber in Chile müssen die Toten innerhalb von zwei Tagen beerdigt sein. Heidi war zu spät dran. Kein Beinbruch. Es gibt Schlimmeres. Und Schöneres, denn …
… am 8. Mai war Hudo's Motor fast fertig. Leider nur fast. Da entdeckten sie einen Riss im Motorblock. Einen winzig kleinen Haarriss, nur mit Lupe zu erkennen, aber immerhin. Also musste alles wieder raus. Heidi blieb zwar ruhig, aber sie war sehr verzweifelt. Da stand Hudo also schon wieder entbeint und ohne Motor.
Heidi Hetzer's Geduld wurde wieder einmal auf eine harte Probe gestellt. Aber nur Herumsitzen ist nicht ihr Ding. Sie besuchte den seit 1978 bestehenden Club Alemán in Valparaiso. Der Honorarkonsul hatte sie zum Empfang eingeladen.
Da Heidi auf der gesamten Weltreise stets auf den Spuren ihres großen Vorbildes Clärenore Stinnes unterwegs ist – wenn auch nicht immer und auf jedem Kilometer exakt auf ihrer Route – so wollte sie doch unterwegs so viel wie möglich über sie herausfinden. Hier in Valparaiso gab es eine sehr gut sortierte Bibliothek, und hier fand Heidi Hetzer einen Zeitungsartikel vom 19. Januar 1929 über Clärenore und ihren Carl-Axel Söderström.
Am denkwürdigen 11. Mai genau um 17:10 Uhr war endlich der neue Motorblock des Achtzylinders angekommen und am Freitag, dem 13. (Mai) gab Hudo seinen ersten Laut von sich. Aber dann kam schon wieder eine Hiobsbotschaft: Die Zylinderkopfdichtung passte nicht.Neue, passende bestellt. Wartezeit wieder vier Tage. Hört das denn niemals auf?
Endlich: Am 18. Mai ist Hudo aus dem Koma erwacht und Heidi konnte ihre erste Ausfahrt machen. Naja, noch nicht wirklich sofort. Erst am 20. Mai, denn die Batterie war leer. Ein Klacks. Und dann ging es ganz langsam und vorsichtig auf eine Einführungsrunde. Oh, wie freute Heidi sich über diesen Motorenklang! Hudo hörte sich an wie neu. Ja gut, es war ja auch fast alles neu an ihm.Heidi hatte die Ohren gespitzt und achtete auf jedes Geräusch. Diesmal war sie sogar sehr folgsam und ging es ganz langsam an. Ein bisschen rund um Valparaiso und dann wieder zurück in ihre Werkstatt, zu ihren Fachleuten vom Club Automotive.
Anfang dieser Woche war sie immer noch in Chile. Eigentlich wollte sie laut ihrem eigenen Plan schon längst in Botswana/Südafrika sein … Aber Hudo hat sie nicht gelassen. Es war ein Kreuz mit ihm, aber auch ein großes Glücksgefühl, dass sie Hudo endlich wieder hatte und mit ihm weiter die Welt erkunden konnte.
Im Augenblick kreist sie um Santiago de Chile. Die Schrauben der Zylinderkopfdichtung müssen nachgezogen werden. Und für weite Strecken hat Heidi Hetzer im Augenblick noch keinen Nerv.
Oder hat es andere Gründe, dass sie immer hübsch in der Nähe von Santiago de Chile bleibt? Nun denn, wir werden es erfahren. Oder auch nicht.
Text: Jutta Sein
Fotos: Heidi Hetzer