Liebe Leserin!
Lieber Leser!

In der vergangenen Woche musste wohl wieder einer der vielen Vorstöße in Sachen „automobiler Entgiftung“ unter dem Begriff „gut gemeint – aber an der Realität vorbei“ abgehakt werden. Um was es ging? Mit viel Brimborium hatte sich die baden-württembergische Landeshauptstadt unter ihrem Grünen-Oberbürgermeister Fritz Kuhn den ersten „Feinstaub-Alarm“ auserkoren, um in die Geschichtsbücher einzugehen. Auch, weil die Hauptstadt des „Ländle“ mit einem besonderen, topographisch bedingten, Problem zu kämpfen hat. Aufgrund der Talkessel-Lage ist das Ärgernis mit dem Feinstaub, der ja in der Tat sehr gesundheitsschädlich ist, besonders groß. Durch die Inversions-Wetterlage sammelten sich also in Bodennähe besonders viele Stickoxide und Feinstaub.

Also wollte man die Bürger dazu animieren, das eigene Auto nur im Notfall zu benutzen. Dieser Verzicht sollte ein Beitrag zur Reinerhaltung der Luft, oder wohl besser gesagt zur Erhaltung des Status Quo des Schmutz-Zustandes sein. Denn von „Reinerhaltung“ der Atemluft kann in Stuttgart und der unmittelbaren Umgebung schon lange nicht mehr die Rede sein. Aber wie so oft, ging auch diesem Mal der Schuss nicht in die Richtung los, die seine Initiatoren eigentlich erhofft hatten: nach vorn nämlich.

Messungen hatten nämlich nach dem ersten von zwei Feinstaubalarm-Tagen ergeben, dass die Belastung durch Feinstaub und Stickoxide noch nicht einmal um einen ganz geringen Prozentsatz zurück gegangen war. Im Gegenteil, und das ist fast schon eine öffentliche Ohrfeige für die Väter dieser ganzen, gut gemeinten Aktion: An zwei besonders belebten Plätzen in Stuttgart war die Situation am ersten Tag des Feinstaub-Alarms nämlich sogar noch Besorgnis erregender als sonst gewesen.

Woran mag das liegen, dass offensichtlich kaum jemand der angesprochenen Autofahrer/innen sich an diese Aufforderung gehalten und statt des eigenen Autos, Busse und Bahnen genutzt hat. Oder vielleicht sogar einmal in Erwägung gezogen, zu Fuß zu gehen. Wenn auch nicht in einer schönen, klaren Winterluft, sondern mitten im schwäbischen Hauptstadt-Smog. Ist es einfach Ignoranz? Ist es fehlende Einsicht in die Notwendigkeit oder schlicht und ergreifend Bequemlichkeit, die dazu geführt hat, dass der persönliche Automobilverkehr nicht anders als an allen anderen Tagen durch die Stuttgarter Berg- und Talbahn rollte?

Vielleicht können aber auch einige Menschen mit dem Begriff „Alarm“ nicht umgehen. Oder sie interpretieren ihn falsch. Hinter diesem Wort steckt nur Ungewolltes, Ungewohntes, und Aufgezwungenes. Das Wort steht für Ausnahme-Situationen, mit denen sich kein Mensch gerne auseinander setzen mag. Vielleicht hätte ein medial geschickt gesteuerter „freiwilliger Autoverzicht für einen Tag“ mehr bewirkt als dieses grässliche Wort Alarm, das Unglück und Unheil symbolisiert. Mag sein oder auch nicht. Es ist nur eine Hypothese.

Aber vielleicht trifft es gerade bei uns Deutschen den Kern sehr gut. Und das wäre in der Tat schon alarmierend.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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