Tradition: 50 Jahre BMW 02-Typen

Beitragsbild
Foto 1
Foto 2
Foto 3
Foto 4

Er widersetzte sich allen Konventionen, fast könnte man den vor 50 Jahren enthüllten kleinen BMW für einen wilden 68er halten. Zumal die erfolgreichste Ausbaustufe der zweitürigen Stufenhecklimousine mit dem magischen Modellcode 2002 passgenau im Jahr 1968 gezündet wurde. Prompt pries die Presse die ganze 02-Reihe als Rennwagen für Firma und Familie. Racer, die so schnell waren, dass sie damals angeblich sogar Porsche-Manager gerne in ihrem Produktportfolio gesehen hätten. Über 800.000 Einheiten verkaufte BMW in zwölf Jahren Bauzeit von den gerne „golf-gelb“ oder „inka-orange“ lackierten Typen aus dem 02-Baukasten (1502 bis 2002 turbo), dann übernahm der erste 3er die Rolle des Lieblings der linken Spur. Ein Karriereverlauf, den Anfang 1966 nicht einmal Optimisten prognostiziert hätten.

Damals präsentierte sich der BMW 1600 (mit vorläufig nur intern angehängter „2“ für zwei Türen) als BMW-Einsteigerauto, wie es so eigentlich keinen Erfolg haben konnte. Die Karosserie war mit 4,23 Metern zu klein für die Mittelklasse, der Motor mit 63 kW/85 PS zu groß – der wenig später nachgeschobene 1600 ti leistete sogar 77 kW/105 PS – und der Preis viel zu hoch. 8.650 bis 9.950 Mark, so viel kosteten sonst nicht einmal noble Sechszylinder. Andererseits sprinteten die gut 900 Kilogramm leichten Bayern ähnlich gut wie ein Porsche 912, der fast doppelt so teuer war.

„Wem sollen wir dieses Auto verkaufen?“, sollen überraschte BMW-Händler im Umfeld des Festaktes zum 50. BMW-Jubiläum in der Münchner Staatsoper gefragt haben. Eine unbegründete Sorge, mit einer fast vollkommenen Fahrwerkstechnik passten die handlichen Leistungssportler perfekt in eine Zeit, in der Understatement optischen Protz ersetzte. Das Prinzip Prestige via Power funktionierte sogar in den USA, wo die Werbung „BMW goes schnell“ ebenso Kult wurde wie die blaue Öl-Auspuffwolke flott gefahrener BMW 2002.

Eine Erfolgsgeschichte, von der BMW wahrscheinlich selbst überrascht wurde, sahen doch die ersten Planungen für den kleinen BMW ganz anders aus. Danach sollte das Basismodell im BMW-Programm nicht mehr als 6.500 Mark kosten und als Zwei- und Viertürer mit einem neu entwickelten 1,2- oder 1,5-Liter-Vierzylinder auf der IAA 1965 vorgestellt werden. Mit dieser Konfiguration sollte der Kompakte Fahrer des bisherigen Einsteigermodells BMW 700 erreichen und Wettbewerbern wie dem gleichfalls neuen Glas 1304 das Leben schwer machen. Ein schöner Plan, aus dem nichts wurde. Zum Glück für BMW.

Denn die Münchner übernahmen den insolventen Konkurrenten Glas im Jahr 1966 und als 1,2-Liter-Modell hätte die Baureihe mit dem Code E114 ohnehin keine Maßstäbe setzen können in jenen PS-hungrigen Jahren. So sparte sich BMW die Entwicklungskosten für neue Motoren und einen Viertürer. Stattdessen spendierte der BMW-Vorstand dem Zweitürer das 63 kW/85 PS freisetzende 1,6-Liter-Triebwerk aus dem bisherigen viertürigen BMW 1600 der sogenannten Neuen Klasse. Die „Neue Klasse“ (Typen 1500 bis 2000) hatte gerade das Geld für BMWs Wiederaufstieg zu beachtlicher Größe erwirtschaftet, entsprechend sinnvoll war es, den Modellbaukasten kostengünstig durch eine Gleichteilestrategie zu erweitern.

Deshalb übernahm der BMW 1600-2 auch das aufwändige Fahrwerkskonzept mit Einzelradaufhängung vorn und hinten sowie die vorderen Scheibenbremsen. Dazu passte die Vmax von 166 km/h und 12,3 Sekunden für den Sprint auf Tempo 100, denn damit ermöglichte der billigste BMW Freude am Fahren wie in einer höheren Klasse. Konnten sich doch auf der Autobahn nicht einmal Oberklasse-Sechszylinder wie der Opel Admiral von dem bayerischen Temperamentsbolzen absetzen.

Der übrigens auch Renngeschichte schrieb. BMW-Ingenieur Ludwig Apfelbeck kreierte aus dem Vierzylinder schon 1966 einen über 200 PS starken Vierventil-Treibsatz für die Formel 2, der wiederum noch 1980 als Basis für einen 1.300 PS starken Formel-1-Motor im Brabham-BMW diente. Damit erkämpfte Nelson Piquet den Weltmeistertitel. Vor allem aber brillierten die 02er in Rundstreckenrennen. Ob als Tourenwagen-Europameister oder als Kundenfahrzeug für private Rennställe, der BMW 2002 war ein Dominator. Unter Jean Todt und Achim Warmbold übrigens auch bei Läufen zur Rallye-Europa- und Weltmeisterschaft.

Im Straßenprogramm lauteten die nächsten Zündstufen BMW 1600 ti (77 kW/105 PS aus Doppelvergaseranlage, ab 1967), im Folgejahr BMW 2002 mit 74 kW/100 PS und BMW 2002 ti mit 88 kW/120 PS sowie ab 1971 der legendäre BMW 2002 tii (Einspritzer mit 96 kW/130 PS). Schließlich der Überflieger der Superlative mit 125 kW/170 PS, der auf der IAA 1973 für Aufregung sorgte: 2002 turbo nannte sich die erste europäische Serienlimousine mit Abgasturbolader, die ihren Namen provozierend in Spiegelschrift auf dem Frontspoiler trug. Ein Attribut, auf das der 210 km/h schnelle Autobahnfeger in Serienversion verzichten musste, schließlich bestimmten Ölkrise und Tempolimit-Diskussionen damals den Autoalltag. Und so wurde der mit Preisen von über 20.000 Mark astronomisch teure 2002 turbo nach nur zehn Monaten Bauzeit und gerade einmal 1.672 Einheiten wieder eingestellt.

Klein und kurzlebig war das Glück auch für alle 02 in besonderen Karosserieversionen. Das beim Stuttgarter Karossie Baur gebaute Voll-Cabrio gab es nur als BMW 1600 in Basismotorisierung zu Preisen, die 40 Prozent über denen der Limousine lagen. Noch rarer blieb das ab 1971 gefertigte 2002 Cabriolet mit feststehendem Überrollbügel, der dem Fahrzeug Stabilität für die stärkere Motorisierung gab. Eine Spezialität war der BMW 1600 GT, ein rassiges Sportcoupé mit von Frua gezeichneter Karosserie, die noch aus dem Glas-Erbe stammte. Zunächst war der Herausforderer italienischer und englischer Sportwagen als Glas GT gestartet, 1967 aber implantierte BMW Motor und Fahrwerkskomponenten aus dem 1600 ti. Ein gelungener Mix, den die Fachwelt lobte, der jedoch kaum Käufer gewann.

Noch eine weiteres Karosseriekonzept stammte ursprünglich von Glas: Als erste deutsche Kombi-Limousine wurde 1965 der Glas CL präsentiert, fuhr allerdings seiner Zeit zu weit voraus. Ein Schicksal, das auch die 1971 lancierten BMW-02-touring-Typen ereilte. Dabei hatte BMWs Stardesigner Paul Bracq aus der 02-Limousine einen aufregenden Sportkombi mit schräger Heckklappe entwickelt, der mit neuartigen, geteilt umlegbaren Rücksitzen brillierte. Die viersitzigen BMW 02 touring zeigten Lifestyle-Schick, konnten aber im Gegensatz zu Shooting-Brakes wie dem Volvo 1800 ES nicht genügend Fans finden. Außergewöhnlich war schließlich der BMW 1602 mit Elektroantrieb, der allerdings nur während der Olympischen Spiele 1972 in München stromern durfte.

Erst im Sommer 1975 überließen die leichtfüßigen 02-Modelle der stattlicheren BMW 3er-Reihe das Feld. Allein die gerade erst eingeführte Sparversion 1502 mit 55 kW/75 PS blieb noch zwei Jahre länger im Rennen – und eroberte vor allem Fahrer von Fremdmarken für BMW. Denn sportlich über kurvenreiche Landstraßen schwingen, das konnte selbst der schwächste 02.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: BMW/SP-X

Nach oben scrollen