Die Rallye-WM in Deutschland: Wenn der Fan als Kunde ins Visier genommen wird

Beitragsbild
Foto 1
Foto 2
Foto 3

VW Polo R statt Mercedes AMG Petronas. Hyundai i20 WRC statt Ferrari SF 15-T. Citroën DS3 statt McLaren MP 4-30. Die Rallye-Weltmeisterschaft findet nicht nur auf einem anderen Untergrund, sondern auch mit völlig anderen Fahrzeugen statt als die sogenannte „Königsklasse des Motorsports“, die Formel 1. Für die Hersteller aber ist sie in der Regel nicht minder wichtig. Im Gegenteil, sie ist von weit größerer wirtschaftlicher Bedeutung, denn hier geht es nicht um ein paar wenige Imageträger in Bernie Ecclestones PS-Zirkus, sondern um den Nachweis der Belastbarkeit ihrer Volumenmodelle. Und da scheuen die Autobauer weder Kosten noch Mühen, wenn sie schon mal dabei sind im großen weltweiten Tross.

Bestes Beispiel für den Wahrheitsgehalt dieser These ist die ADAC Rallye Deutschland. Der deutsche Lauf zur Rallye-Weltmeisterschaft wird seit 2002 in jedem Jahr im äußersten Südwesten der Republik, in der Nähe von Trier, ausgetragen. Dort duellieren sich in den Weinbergen an der Mosel, auf einem fahrerisch anspruchsvollen Militärgelände im Hunsrück und auf schnellen Asphalt-Geraden im Saarland die „wild gewordenen fliegenden Hasenkästen“ vor den Augen von geschätzten 200.000 Fans an vier Tagen. Nicht nur eine riesige Zuschauer- und Fan-Größe, sondern vor allem auch eine schier unüberschaubare Anzahl potenzieller Kunden von „normalen“ Kompaktfahrzeugen der beteiligten Hersteller.Für den deutschen Autobauer aus Wolfsburg ist ein Sieg „vor der Haustür“ eigentlich Pflicht. Weltmeister Sébastien Ogier aus Frankreich, der Finne Jari-Matti Latvala und der Norweger Andreas Mikkelsen dominieren die Szene in ihren blau-weißen Polo R und damit auch die Hersteller-Wertung quasi nach Belieben. Nur in Deutschland hat es noch nie zum Sieg gereicht. Immer wieder kamen unglückliche Konstellationen – meist Ausfälle technisch bedingter Art – dazwischen. In diesem Jahr soll es jetzt endlich klappen. Wenn die Konkurrenz mitspielt, könnte Ogier im deutschen Auto beim deutschen WM-Lauf seinen Titel sogar schon frühzeitig verteidigen. Was den Intensionen des VW-Vorstands als ungeheure (und zudem sehr frühe) Werbe-Botschaft in punkto Zuverlässigkeit des Volkswagen Polo entgegen käme.

Im Servicepark in den Trierer Moselauen, der vier Tage lang das Hauptquartier der Rallye samt Medienzentrum ist, werfen sich alle Beteiligten sozusagen in Schale. An den Autos wird unter weißen Zeltplanen geschraubt, es gibt genügend Platz für die Tausenden von Fans, ihren Helden dabei zuzusehen und ihnen für ein paar Minuten „auf die Pelle zu rücken.“ Hinzu kommen natürlich die unvermeidlichen Gäste-Pavillons und werden den Lenkrad-Artisten vorgestellt. Dort tafeln die VIP’s, während sich ein paar Meter weiter nebenan die Mechaniker im öl-verschmierten Overall unter den Autos die Hände schmutzig machen. Dort wird „small getalkt“, werden Benzingespräche mit Geschäftspartnern und Sponsoren geführt.

Dieser kommerzielle Sidekick ist für alle in der WM involvierten Hersteller mindestens genau so wichtig wie der sportliche Erfolg ihrer aufgemotzten Serienproduktionen. Opel beispielsweise hat vor zwei Jahren gemeinsam mit dem ADAC eine neue Serie ins Leben gerufen, um den deutschen Nachwuchs zu schulen und ihm eine Wettbewerbsplattform zu bieten. Die Teilnehmer des „ADAC Opel Rallye Cups“ fahren demnach genau so im Schatten der Weltelite mit wie die Mitglieder des „Opel Rallye Junior Teams“, die derzeit in der Junioren-EM die beiden ersten Plätze belegen. Das alles in einem Fahrzeug, das auf der Basis des Opel Lifestyle-Kompaktfahrzeuges, des ADAM, für den Rallyesport aufgebaut wurde. Die Botschaft ist gewollt und klar ersichtlich.

Viele Hersteller, wie etwa Subaru, Toyota, Peugeot oder Mitsubishi, die über Jahre hinweg die Szene mit bestimmten, haben sich nach und nach aus der Weltmeisterschaft zurück gezogen. Ein Umstand, der die Beteiligten auch zum Umdenken zwingt. „Wir müssen die Rallye-WM kostengünstiger machen“, hat nicht nur FIA-Chef Jean Todt vorgegeben. Auch die meisten Konzernvorstände drücken inzwischen auf die Preisbremse.

Und dennoch: Um ganz vorn mitreden zu können, muss derzeit immer noch viel Geld in die Hand genommen werden. Die Rede ist von einem zweistelligen Millionenbetrag mittlerer Größe, den ein Hersteller investieren muss, um in der Weltmeisterschaft bei der Titelvergabe ein Wörtchen mitreden zu können. Die lange Entwicklungszeit eines Erfolg versprechenden Fahrzeuges noch nicht eingerechnet.

Neben den Wolfsburgern trifft das derzeit wohl nur auf die Südkoreaner zu. Hyundai hat vor einigen Jahren im hessischen Alzenau seine technische und logistische Plattform für die Rallyeweltmeisterschaft aus dem Boden gestampft und exzellente Piloten verpflichtet. Mit dem i20 World Rallye Car, das mit dem belgischen Piloten Thierry Neuville im vergangenen Jahr in Deutschland siegte, ist man dem Polo-Trio schon gefährlich nahe auf die Stoßstange gerückt. Wenn in zwei Jahren Toyota das angekündigte Comeback mit einer WRC-Version des Yaris und der finnischen Rallye-Legende Tommi Mäkinen als Teamchef vollzieht, könnte dann noch einmal zusätzlich etwas „Feuer“ in die Szene kommen.
Das würde sicherlich auch den Millionen von Fans gefallen, die die WM-Läufe live am Rande der Wertungsprüfungen auf fünf Kontinenten und auf allen möglichen Bildkanälen verfolgen. Und sie sollen diese Autos, wenn auch in deutlich abgespeckter Form, schließlich kaufen.

Text: Jürgen C. Braun/Fotos: Hersteller

Scroll to Top