Jaguar E-Type Lightweight: So jung wie damals

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Wir schreiben das Jahr 1963; Konrad Adenauer tritt ab, John F. Kennedy wird ermordet, in Rom wählt man Paul VI. zum neuen Papst. Und in England trifft Jaguar die Entscheidung, 18 Rennversionen des zwei Jahre zuvor aufgelegten E-Types zu fertigen. Lightweight sollen diese „Special GT E-Type“heißen, und der Name ist Programm: Aluminium ersetzt die Stahlkarosserie und senkt das Gewicht um über zwei Zentner; am Ende bringen die Lightweights leer nur 920 Kilogramm auf die Waage.

Nachdem ein Dutzend der federleichten E-Types bis zum Jahresende das Jaguar-Werk Browns Lane in Coventry verlassen hat, stoppt der Hersteller die Produktion. Geldverdienen steht im Vordergrund, und das geht mit den Serienmodellen besser. Was blieb, war der Mythos der knapp 300 km/h schnellen Renner, der sie auf dem Oldtimermarkt mittlerweile mehrere Millionen Pfund teuer macht – und die sechs vorreservierten Fahrgestellnummern, die Jaguar bis heute nicht anderweitig vergeben hat.

50 Jahre später, 2013, erinnerte man sich an eben jene sechs Nummern und bei Jaguar wurde der Ehrgeiz geweckt, sie ihrer eigentlichen Bestimmung zuzuführen. Aus der fixen Idee wurde ein Plan: Sechs neue E-Type Lightweight sollen entstehen, ein Traum wahr werden, für alle Autoliebhaber – und für Jaguars Marketing-Mannen. Einen besseren Start für die Heritage-Sparte der kürzlich gegründeten Division Special Vehicle Operations (SVO), Jaguars neuer Abteilung für jegliche Sonderwünsche, kann es schließlich nicht geben.

Wie gut, dass die Oldtimer-Abteilung auch noch am alten Standort Browns Lane angesiedelt ist. Die Produktionsstätte war damit gesetzt, und auch ein Projektleiter war schnell ausgemacht: Martyn Hollingsworth. Der hatte bis dahin den Prototypenbau geleitet und wollte eigentlich gerade in Rente gehen, doch das E-Type-Fieber packte ihn nach nur einem Tag auf dem Altenteil und er kehrte an die Werkbank zurück.

Gut zwölf Wochen Handarbeit stecken in einem neuen E-Type Lightweight. Einen Großteil erledigt Jaguar davon selbst; Zulieferer für neue Alte sind rar. Einige Teile der Karosserie etwa werden noch mit den Original-Werkzeugen aus den 60ern gepresst, die eine Firma aufgekauft hat, die sich auf Ersatzteile für Oldtimer spezialisiert hat. Den Aluminium-Motorblock baut Crosthwaite & Gardiner nach Originalskizzen, das edle Lenkrad-Emblem mit Echtgold kommt vom königlichen Hofjuwelier in Birmingham. Doch natürlich arbeitet Jaguar heute präziser und mit modernerer Technik als vor fünfzig Jahren; Scanner haben die echte, alte Karosserie abgetastet und Baupläne erstellt, nach denen die neuen passgenau zusammengesetzt werden – inklusive der gleichen Nieten wie damals, aus dem Flugzeugbau.

Anderthalb Jahre nach dem Startschuss steht einer der sechs neuen E-Type Lightweight, das dunkelgraue Car Number One, vor uns. Der breite, weißgeschminkte Schlund blickt uns lüstern an, dahinter erstreckt sich die ellenlange Motorhaube, die fast bis in das knackige Heck zu reichen scheint; „pure Geometrie“nennt es Jaguar Chef-Designer Ian Callum. Eigentlich schade, dass irgendwo auch noch die enge Kuppel über das Cockpit gespannt werden musste. Zwei, drei, vier Mal umrunden wir ehrfürchtig den E-Type, bewundern das blitzblank polierte Triebwerk, erfreuen uns an Details wie den Lederschlaufen, die die Motorhaube zuhalten, und staunen nicht schlecht über die originalgetreu nachgebildeten Spanngurte, die den 150-Liter-Tank im Kofferraum festhalten – der ansonsten völlig ungeschützt ist.

Dann aber wollen wir endlich den Benzinduft der 60er Jahre schnuppern und mit dem Jag auf die Piste damit. Zwar dürfen wir nicht selbst ans Steuer, denn Car One ist, wie die anderen fünf auch, bereits für gut anderthalb Millionen Euro verkauft, doch der neue Eigner – einer von rund einhundert Interessenten – gestattet Jaguar, ein paar Taxifahrten damit auf einem alten Flugplatz in der Eifel zu drehen. Vor dem Spaß gilt es, in das durch einen Überrollkäfig noch engere Cockpit zu krabbeln und sich mit dem Fünf-Punkt-Gurt fest an den Sitz zu schnallen, dann aktiviert unser Pilot hinter dem dünnen, aufrecht stehenden Holzlenkrad die Benzinpumpe und erweckt den gut 253 kW/344 PS starken 3,9-Liter-Sechszylinder zum Leben.

Schon beim Verlassen der Garage merkt man: Hier steckt noch echt Mechanik drin. Das Viergang-Getriebe klappert, die Pedale knarzen, man hört, wie die Technik arbeitet. Und man spürt, dass E-Type-Fahren richtig viel Arbeit bedeutet. Moderne Helferlein durften nicht einziehen, alles sollte so originalgetreu wie damals nachgebaut werden. Doch einmal in Fahrt, hat sich die fehlende Servolenkung ohnehin erübrigt, und schon im ersten eng gesteckten Slalom zeigt sich, wie präzise eine Lenkung von 1965 arbeiten kann. Dafür ist in den Kurven reichlich Geschick im rechten Fuß gefragt: Mit der Spitze bremsen und mit dem Absatz Zwischengas zum Runterschalten zu geben ist nicht jedermanns Sache.

Alles andere als mit Samtpfoten muss sich Car One in der brütenden Augusthitze behandeln lasse, der Fahrer gibt ihm regelrecht die Sporen und scheucht es mit quietschenden Reifen um die Pylonen, ohne auch nur ein Hütchen zu touchieren. Auf der anschließenden langen Geraden dürfen die 380 Newtonmeter Drehmoment zeigen, was in ihnen steckt. Mit Vollgas geht es mühelos bis auf knapp 200 km/h – gut 80 Zähler unter der Vmax -, dann zwingt eine scharfe Rechtskurve den Jaguar-Testfahrer dazu, den Fuß vom Gas zu nehmen. Aber Bremsen? Nein, der knapp über eine Tonne schwere neu E-Type kommt natürlich auch mit so hohem Tempo souverän ums Eck. Es folgen noch ein paar weitere scharfe Kehren und einige Vollgas-Etappen, dann nähert sich unsere rasante Zeitreise in die 60er Jahre schon wieder dem Ende. Doch die wenigen Meter mit dem jüngsten Oldtimer aller Zeiten reichen, dass auch uns die Faszination E-Type Lightweight packt. Und die Hoffnung aufkommt, dass noch ein paar mehr unverbrauchte Chassis-Nummern auftauchen.

Text: Spot Press Services/Michael Gebhardt
Fotos: Jaguar

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