Mercedes: Mehr Assistenzsysteme für die Nutzfahrzeuge

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Der gelbe Sattelschlepper schießt auf das stehende Auto zu, macht keine Anstalten, sein Tempo zu verringern. Warum reagiert der Fahrer nicht, ist er eingeschlafen oder abgelenkt? Gleich wird sich die Gewalt von 40 Tonnen mit 80 km/h in das Heck des kleinen Pkw bohren und nur noch einen zerfetzten Blechhaufen hinterlassen. Nicht auszudenken, was mit den Insassen der schwarzen Mercedes-Limousine geschieht. Im letzten Moment aber knickt das gewaltige Führerhaus nach vorne, Bremsen kreischen, mit weit aufgerissenen Augen starrt der entsetzte Fahrer durch die große Scheibe. Nicht er hat gebremst, der Computer war es. Wenige Zentimeter vor der hinteren Stoßstange des Autos ist die gelbe Gefahr gebannt.

Nur eine Simulation am Rande des Berliner Flughafens Schönefeld, der irgendwann mal der Großflughafen der Hauptstadt werden soll. Daimler zeigt die neuesten Sicherheitstechnologien für die schweren Lastwagen, die Busse und auch die Transporter wie den bekannten Sprinter. „Ein Drittel aller Lkw-Unfälle sind Auffahrkollisionen“, sagt Sven Ennerst aus der Mercedes-Entwicklungsabteilung und nennt als Beispiel die immer wieder fatalen Crashs an einem Stau-Ende auf der Autobahn. „Mehr als die Hälfte dieser Unfälle könnte vermieden werden, wenn der aktive Bremsassistent an Bord des Lkw oder des Busses ist“. Das System ist aus den Personenwagen längst bekannt und hält nach und nach Einzug bei den Nutzfahrzeugen. Ab November dieses Jahres müssen alle neu zugelassenen Lkw über acht Tonnen mit einem solchen Notbremsassistenten ausgerüstet sein.

Radaraugen, die auch für die Abstandsregelung zuständig sind, haben immer die Straße vor dem Laster im Blick. Wird ein Hindernis erkannt, warnt das System den Fahrer und verzögert den Truck zunächst eher dezent. Gleichzeitig berechnet es den zur Verfügung stehenden Bremsweg. Sollte der Mensch am Steuer nicht reagieren, wird automatisch eine Vollbremsung eingeleitet. „Wir bieten diese dritte Generation unseres Active Break Assist bereits seit drei Jahren an“, berichtet Techniker Ennerst. „Über 23.000 Lkw haben es schon und waren damit 25,4 Milliarden Kilometer weit unterwegs“.

In der düsteren Statistik der Lkw-Unfälle steht an zweiter Stelle (28 Prozent) das unbeabsichtigte Abkommen von der Fahrbahn. Deshalb schreibt die EU ebenfalls ab November einen Spurhalte-Assistent für alle Nutzfahrzeuge über 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht vor. Im großen Actros von Mercedes prüft eine Frontkamera, ob sich der Truck innerhalb der Markierungen befindet. Geraten die Räder über die weißen Streifen hinaus, wird der Fahrer optisch und akustisch gewarnt. Bei Personenwagen ist es bereits möglich ist, dass ein Auto beim Verlassen der Fahrspur automatisch zurückgelenkt wird. Sven Ennerst räumt ein, dass ein solches System bei den Lkw noch in der Entwicklung ist. „Auf Grund des völlig anderen Lenksystems und der Dimensionen ist das bei einem Truck ungleich schwerer“.

Auch bei den oft mit tödlichen Folgen verlaufenden Abbiege-Unfällen im Stadtverkehr will Mercedes Abhilfe schaffen. Wieder hilft die Radartechnik, die vor der Hinterachse in der rechten Seitenverkleidung montiert ist. Befindet sich ein Radfahrer, ein Kind oder ein Hindernis im „toten Winkel“ warnt eine gelbe LED-Anzeige. Droht ein Unfall, wechselt die Lampe auf „rot“, ein Warnton ertönt. „Das funktioniert auch beim Wiedereinscheren auf der Autobahn“, berichtet der Entwicklungschef. „Die freundliche Lichthupe des gerade überholten Lkw kann also entfallen“. Noch entwickelt wird bei Mercedes ein Kamerasystem mit Namen „Mirror Cam“, das die oft riesigen Rückspiegel der Dickschiffe ersetzen soll, eine Rundumsicht des Fahrers ermöglicht und zudem wegen des besseren Luftwiderstandes den Verbrauch senkt.

Alles Beispiele, wie der größte Lkw-Bauer der Welt seine Produkte sicherer machen will, was dann auch dem angekratzten Image der Brummis zu Gute kommt. Doch der Blick geht schon nach vorn. „Um unsere Vision vom unfallfreien Fahren zu verwirklichen, müssen wir intensiv auch an teil-autonomen Systemen, also dem weitgehend selbstfahrenden Lkw arbeiten“, sagt Mercedes-Vorstand Wolfgang Bernhard. Zwei sogenannte „Future Trucks“ sind als rollende Labore bereits unterwegs, einer in den USA, der andere soll bald auch auf deutschen Straßen getestet werden. Bernhard: „Teil-autonom bedeutet für uns, dass der Fahrer nach wie vor die volle Kontrolle hat, aber wesentlich entlastet wird.“ Als Beispiel nennt er lange Autobahnfahrten, bei denen der Computer die Lenkarbeit, das Bremsen und das Gasgeben übernimmt, so dass sich der Mensch hinterm Steuer entspannt zurücklehnen kann.

Text: Spot Press Services/Peter Maahn
Fotos: Daimler/SP-X

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