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Für alle Fahrer, die sich zum ersten Mal mit den überragenden Fahreigenschaften eines Gran Turismo vertraut machen wollen“, war der Porsche 912 laut Werbung die beste Wahl. Der 1965 vorgestellte Downsizing-Elfer, angetrieben vom gerade einmal 66 kW/90 PS leistenden und nur sanft modifiziertem Vierzylinder-Boxer aus dem soeben verblichenen Typ 356, sollte Porsche Sportcoupé-Käufer zuführen, denen die Preise des im Vorjahr eingeführten Sechszylinder-Typs 911 zu abgehoben schienen.

Schließlich kostete der schnellste deutsche Heckmotor-Racer mindestens 21.900 Mark, was dem Gegenwert von vier Volkswagen Käfer entsprach und sogar die Preise des leistungsstärkeren Mercedes 230 SL übertraf. Zu viel für viele Porsche-Stammkunden, die bisher die erschwinglicheren Vierzylinder-Typen 356 kauften. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Nordamerika, wo rund 40 Prozent aller Porsche abgesetzt wurden. Weshalb der insgesamt 16 Jahre gebaute 356 als Stammvater aller Zuffenhausener Sportler sofort nach Einstellung durch den kaum teureren 912 ersetzt wurde.

Obwohl später von vielen Elfer-Fans verschmäht, war der bis 1969 gebaute 912 eine Erfolgsnummer, für die sich schon im Einführungsjahr 6.401 Sportwagenfans entschieden. Damit übertraf der kleine Boxer seinen großen Bruder um mehr als das Doppelte in den Verkaufszahlen. Wobei das „Fahren in seiner schönsten Form“ (Porsche-Markencredo) mit dem 912 auch nicht wirklich billig war. Immerhin kostete der Einstieg ins Porsche-Portfolio mindestens 16.250 Mark beziehungsweise das Äquivalent in Dollar. Dafür gab es in Amerika gleich zwei MG B Roadster und in Deutschland bot Opel sogar seinen V8-Kapitän billiger an als Porsche seinen Vierzylinder-Boxer. Vom „Poor Man's Porsche“, einem Arme-Leute-Porsche, konnte also beim 912 entgegen mancher Schmährufe nie die Rede sein.

Was machte ansonsten die Faszination des Elfers mit Vierzylinder-Motor aus, der im Laufe seiner Produktionszeit gegen so unterschiedliche Konkurrenten antrat wie BMW 2000 CS, BMW 1600 GT, Alfa Romeo Spider, Alpine A 110, Fiat 124 Sport/Spider, Glas GT, Lotus Europa oder eben den MG. Die zeitgenössische Fachpresse war sich da einig: „Endlich ein Porsche, bei dem auch ein Zwei-Meter-Mann ohne Schwierigkeiten einsteigen kann“, lobte etwa die „autoparade“ den Komfort des 2+2-sitzigen Coupés, dessen Formensprache nicht nur von Porsche als vollkommen bezeichnet wurde.

Tatsächlich differenzierte sich das Design des 912 abgesehen vom Typenschild kaum vom 911. Die Armaturentafel des 912 wirkte trotz geringfügig reduzierter Instrumentensammlung für manche Käufer sogar noch sportlicher als das Elfer-Cockpit. Andererseits war es gerade der Langstreckenkomfort des Gran Turismo, der Motorjournalisten begeisterte: „Das Fahrerlebnis mit einem Porsche 912 muss man als non plus ultra bezeichnen“. Negativ bewertet wurden nur die „bisweilen zur Vorsicht gemahnende Seitenwindempfindlichkeit“ und der bei hohem Tempo lautstark arbeitende Motor. Ab 140 km/h, konstatierten die Tester, seien Unterhaltungen oder Radiohören kaum mehr möglich gewesen. Unabhängig davon, ob mit serienmäßigem Viergang- oder optionalem Fünfganggetriebe.

Bis der Porsche 912 dieses Tempo erreichte, war ohnehin Geduld angesagt. Jedenfalls im Vergleich zum etwas flotteren Vorgänger Porsche 356 SC und auch manchen sportiven Viertürern wie dem BMW 1800 TI. Die Vmax von 185 km/h war schon vor einem halben Jahrhundert nicht sensationell. Sie genügte aber für die Überholspur der Autobahn, die der Porsche 912 dank seines Prestigefaktors erfolgreicher von langsam dahin trödelnden Linksfahrern freiräumte als es vielen Sechszylinder-Limousinen gelang. Die überdies mehr Benzin konsumierten als der 912, der sich laut Norm mit 8,5 Liter Super zufrieden gab. Im Alltag wurden daraus dann zwar elf bis zwölf Liter, die Tester und auch die Kunden zeigten sich jedoch zufrieden. Bescheidener als viele Rivalen blieb der Porsche auch in den Wartungsansprüchen und -osten, zumal dass Porsche Servicenetz konkurrenzlos dicht geknüpft war, weil eng mit dem VW-Kundendienst verbunden.

Tatsächlich genossen alle Porsche auch deshalb eine Alleinstellung als Businessjets unter den Sportwagen. Neben dem klassischen Coupé war seit 1967 auch ein neuartiges Cabrio-Konzept lieferbar, der Targa. Sein charakteristischer stählerner Sicherheitsbügel sollte nicht nur die Insassen schützen, sondern auch einem in den USA diskutierten Cabriolet-Verbot vorbeugen. Vor allem aber verlieh der markante Überrollbügel dem offenen Auto bezahlbare Stabilität, denn beim Entwurf des Coupés war noch nicht an eine Open-Air-Version gedacht worden. Nachträgliche Karosserieversteifungen wären deshalb sehr kostspielig geworden. So kostete das Targa-Konzept mit herausnehmbaren Dach und zu öffnender Heckscheibe nur 1.400 Mark Aufpreis. Trotzdem setzte sich der Targa (italienisch für „Schild“ und zugleich eine Hommage an das legendäre Targa-Florio-Rennen) nur allmählich durch. Während beim 911 in späteren Produktionsjahren rund ein Drittel aller Fahrzeuge als Targa ausgeliefert wurden, waren es beim 912 insgesamt nur gut 2.500 Targa von fast 31.000 Autos, die bis 1969 gebaut wurden.

Zu berücksichtigen ist dabei natürlich, dass der 912 nur in seinen letzten Produktionsjahren als Targa verfügbar war. Nachdem das Basismodell Porsche bei der Bewältigung der ersten bundesdeutschen Wirtschaftsrezession in den Jahren 1966/67 unterstützt hatte, erhielt der Vierzylinder Mitte 1967 plötzlich Konkurrenz aus dem eigenen Haus. Zwei zusätzliche Zylinder für nur 2.000 Mark Aufpreis bot nun der 911 T. Der 81 kW/110 PS starke Sechsender nahm die prestigeträchtige 200-km/h-Schallmauer und schuf Distanz zur neuen Meute schneller Mittelklassecoupés (etwa Opel GT, Ford Capri, Opel Commodore GS), die in den Startlöchern standen und dem Porsche 912 Paroli bieten konnten. Dennoch gönnte ihm die Entwicklungsabteilung in Zuffenhausen noch das Facelift, das 1969 auch allen 911-Typen zugutekam. Sechs Zentimeter mehr Radstand, „Kotflügel seitlich herausgezogen wie 911 R und geänderte Rückleuchtenpartie“, erläuterte die Porsche-Pressemitteilung unter der Schlagzeile „Vorhang auf für die Porsche Modelle 1969“.

Wenige Monate später fiel der Vorhang allerdings schon wieder für den 912. Von 50 Prozent war der Anteil des 912 am Porsche-Verkauf auf 15 Prozent gesunken. Nicht nur der 911 T hatte diese Entwicklung beschleunigt, Ende 1969 stand überdies die Premiere eines neuen Einstiegsmodells an, der VW-Porsche 914. Ein Bestseller, der als Vierzylinder bis Ende 1975 die Kassen aller beteiligten Kooperationspartner füllte und dessen Abschied besonders in den USA bedauert wurde. Deshalb spendierte Porsche den Amerikanern zum Modelljahr 1976 auch eine Revival-Edition des 912. Wieder mit vier Zylindern, aber in damals aktueller 911-Optik. Der zweite 912 tanzte nur eine Saison, dann verabschiedete er sich zugunsten des Porsche 924.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Porsche/SP-X

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