Am Ende war er für seine Fans und Feinde nur noch der Bayern-Bomber. Nein, hier ist weder der damalige Bundesliga-Torschützenkönig Gerd Müller gemeint, noch der ebenfalls 1978 lancierte BMW-M1-Supersportwagen. Zum automobilen Bayern-Bomber avancierte vielmehr der erste BMW 3er (Baureihe E21) als ihm die Münchner endlich die lange erwarteten Sechszylinder-Motoren spendierten. Denn erst unter den Typenkennungen 320/6 und 323i mutierte die zweitürige Mittelklasse mit Sportwagentalenten zum wahren Nachfolger der legendären BMW 02-Serie, die mit Geschossen wie 2002 tii und 2002 Turbo einst sogar Jagd auf Porsche gemacht hatte.
Mit dem inzwischen erstarkten Elfer konnte es der neue, 105 kW/143 PS leistende BMW 323i zwar nicht mehr aufnehmen. Wohl aber mit den Porsche 924, vor allem aber alle Limousinen-Rivalen von Alfa und Audi auf Distanz halten – und den gerade in Mode kommenden Sport-Zweitürern, etwa von Fiat (131 Sport) oder Ford (Taunus Sport), zeigen, wo der Hammer hängt. Nach nur sechs Verkaufsjahren wurde die 1975 enthüllte erste BMW-3er-Reihe Mitglied im Club der Produktionsmillionäre – und übertraf damit zugleich die hoch hängende Messlatte der vorausgegangenen 02-Serie. Erster Höhepunkt für eine bis heute anhaltende und mittlerweile sechs 3er-Generationen sowie über 13 Millionen Einheiten umfassende Bestsellerkarriere.
Ein vollkommen neues Auto von BMW, das war Mitte der 1970er Jahre noch ein außergewöhnliches Ereignis. Tatsächlich war die „kleine“ 02er-Reihe bereits neun Jahre alt, als BMW mit den Modellen 316, 318 und 320 im Sommer 1975 Nachfolger vorstellte, die deutlich größer waren, aber ebenso dynamisch sein sollten wie ihre zierlichen Vorgänger. Diese blieben übrigens als Basisversion 1502 noch zwei weitere Jahre im Programm, hatte doch BMW-Chef Eberhard von Kuenheim Modellkonstanz explizit zum Bestandteil seiner erfolgreichen Unternehmenspolitik erklärt. Mit allen neuen Modellen sollte BMW nach dem Willen von Kuenheims den Schritt von der einst selbst gewählten Nischenrolle zum Global Player vollziehen, dies durch ein sportiv geprägtes Programm für einen großen Kundenkreis.
Stattlicher, stärker und sicherer, so stellte sich deshalb die erste 3er Reihe vor. Wobei die gegenüber dem Vorgänger höhere PS-Ausbeute der anfänglich ausschließlich lieferbaren Vierzylinder-Motoren durch die etwas gewichtiger gewordene, jetzt 4,36 Meter messende Karosserie (plus 13 Zentimeter im Vergleich zur 02-Serie) kompensiert wurde. Wie schon der drei Jahre zuvor präsentierte BMW 5er entstand auch der erste 3er unter dem Einfluss von Paul Bracq, der damals bereits Kultstatus unter den europäischen Designgrößen genoss. „Linien-Treue“, lautete 1975 das Motto einer BMW-Anzeigenkampagne und tatsächlich folgte die neue kleine BMW-Baureihe mit zeitlos eleganter, unaufgeregter Linienführung dem Vorbild des größeren 5ers. Deutlich markanter als dieser zeigte sich der 3er allerdings in der Frontgestaltung, wo die oberen Ausprägungen der Niere direkt in einen Powerdome der Motorhaube übergingen.
Den Kunden gefiel der repräsentative Auftritt des kompakten Bayern, wie sich im großen Bestelleingang zeigte. Allerdings: Ganz im Gegensatz zur neuen Front – wie bisher mit Doppelscheinwerfern als Erkennungszeichen für die leistungsstärksten Typen – hagelte es Kritik für die Rückansicht des Neuen. Nicht einmal vor Kommentaren wie „Nacktarsch“ schreckten BMW-Fans zurück angesichts der leeren Blechfläche zwischen den Rückleuchten. Der Aufruhr währte aber nur wenige Monate, dann spendierte BMW ein „Backlift“ durch ein schwarzmattiertes Kunststoffelement, das auch zur Nachrüstung geordert werden konnte.
Dagegen überschlug sich die Fachpresse von Beginn an geradezu in Lobeshymnen über das sportlich abgestimmte und doch komfortable Fahrwerk mit McPherson-Vorderachse sowie Einzelradaufhängung an Schräglenkern und Federbeinen hinten. Oder das Novum eines Innenraum-Designs mit zum Fahrer hin orientiertem Cockpit, das über Jahrzehnte typisch für das BMW Interieur war. Bemerkenswert war schließlich die Umstellung von Schnecke-Rolle-Lenkung auf eine Zahnstangenlenkung. Die heute selbstverständliche Servounterstützung gab es allerdings erst ab 1977 – als Option für die neuen starken Sechszylinder.
Dagegen brachte es die anfängliche Topversion 320i mit 125-Einspritz-PS nur auf wenig berauschende 180 km/h Vmax. Wer mehr wollte, musste sich von Tunern wie Alpina bedienen lassen: 118 kW/160 PS entlockte Burkhard Bovensiepens Betrieb etwa dem 320i. Genug Feuer für einen Wert von 7,5 Sekunden für den Sprint auf Tempo 100 und Autobahntempo 213. Damit distanzierte dieser Alpina sogar knapp den Porsche 911, war allerdings mit Preisen ab 31.766 Mark auch kaum billiger. Weshalb allein der halb so teure Standard-320 ein Liebling der Massen wurde. Tatsächlich verkaufte sich auch der 320 mit Sechszylinder in größeren Stückzahlen als die deutlich erschwinglichere Einstiegsversion 316. Nicht unterschätzt werden darf zudem der Beitrag des Spitzenmodells BMW 323i zu den Zulassungszahlen der bayerischen Basisbaureihe, die damit etwa 1979 und 1980 Rang 6 in den deutschen Neuwagencharts belegte (hinter VW Golf/Jetta, Mercedes 200 D-280 E, Audi 80, Opel Kadett und Opel Rekord). Eindrucksvoll war übrigens auch die Modelltreue der zufriedenen BMW-Fahrer: Nach einer Umfrage aus dem Jahr 1980 wollten vier von fünf Kunden das Fahrzeug wieder kaufen.
Eine Zufriedenheitsstudie, deren Ergebnisse sich sogar auf die rarsten Varianten des 3ers übertragen ließen, nämlich die Cabrio-Limousinen des Stuttgarter Karossiers Baur. Wie schon bei der 02-Baureihe war Baur der Open-Air-Spezialist für BMW, der nun 316 bis 323i „Topcabriolets“ mit feststehenden Fensterrahmen und Überrollbügel in kleiner Zahl von 4.600 Einheiten über das BMW-Händlernetz verkaufte. Zu den Volumentypen mit über 100.000 Zulassungen zählte dagegen die erst zum Modelljahr 1981 eingeführte Motorisierung der Baureihe E21. Dieser BMW 315 fungierte wie weiland der Typ 1502 als preiswerte 75-PS-Einstiegsversion ins BMW-Programm.
Sportlichen Ruhm erntete die E21-Reihe ab 1977 als Rundstrecken-Racer. Die BMW Motorsport GmbH lieferte die 320 in Kit-Form an Rennteams in aller Welt und überließ auch 1978 in der Deutschen Rennsportmeisterschaft den Tunern und Privatteams das Feld. Den Titel holte Harald Ertl mit dem Schnitzer BMW 320i. Das Team aus Freilassing setzte dabei auf Turbo-Power. Um in der Division II bis 2,0 Liter starten zu können, musste bei Verwendung eines Turboladers der Hubraum auf 1,4 Liter reduziert werden. Trotzdem standen mehr als 400 PS zur Verfügung. Auch als Kunstobjekte haben sich die BMW 320 Gruppe-5-Rennwagen einen Platz in der automobilen Hall of Fame gesichert: 1977 gestaltete Roy Lichtenstein den Racer als eines der schönsten Art Cars aller Zeiten – so das Urteil der Fachleute. Auf der Fahrerseite zeigt der 320 einen Sonnenaufgang, während auf der Beifahrerseite des BMW die Sonne untergeht – Lichtensteins Interpretation der 24 Stunden von Le Mans.
Text und Fotos: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: BMW/SP-X