Im Rückblick steht sie völlig zu Unrecht im Schatten ihres berühmt-berüchtigten Vorgängers, des ersten Escort mit Hundeknochen-Kühlergrill und keckem Hüftschwung. Mit solchen Designschrullen räumte die Escort-Neuauflage vor 40 Jahren gründlich auf. Großzügig verglast sowie glattflächig gezeichnet, wollte die zweite Generation der damals kleinsten Ford-Baureihe ein unauffälliger Begleiter für den automobilen Alltag sein. Ein wenig Verführung durfte allerdings schon im Spiel sein, so gab es Ghia-Versionen mit luxuriösen Lifestyle-Accessoires wie Vinyldach und chromdekorierten Rädern und spektakulär-scharfe RS-Sportler für Rallye, Racing und die linke Autobahnspur. Nur der Kombi-Turnier zeigte sich im alten Karosseriekleid, diesem Dreitürer musste eine neue Frontgestaltung genügen, um den Generationenwechsel anzuzeigen. Unter dem Blech blieb es ohnehin bei allen Escort bei der konservativ-konventionellen Technik des Vorgängers – obwohl die europäische Kompaktklasse bis auf den Opel Kadett fast komplett auf Vorderradantrieb umgestellt worden war. Für den künftigen Kleinwagen Fiesta hatte Ford dagegen eine komplett neue Frontantriebsarchitektur konzipiert, was die Amerikaner aber vorerst nur darin bestärkte, beim Escort alles beim Alten zu belassen.
Schließlich sollte der für 1976 vorgesehene Fiesta das teuerste Auto der Welt sein, was die Entwicklungskosten betraf. Und da galt es für ein Weltauto wie den Escort zu sparen, zumal auf den ozeanischen und asiatischen Märkten die dort fast ausschließlich konkurrierenden Japaner ebenfalls noch mit Hinterradantrieb vorfuhren. Gewagt wirkten dagegen generelle Prognosen führender Ford-Manager über neue Fahrzeugtypen für den europäischen Markt. Trotz des gerade gezeigten VW Golf meinte man bei Ford, dass neue Modelle fast aller Marken künftig nur mehr oder wenig tiefgreifende Änderungen bereits vorhandener Autos seien. Eine Politik, die – mit Ausnahme des Fiesta – für Ford tatsächlich immerhin nahezu ein ganzes Jahrzehnt Gültigkeit hatte, wie besonders Capri, Escort und Taunus zeigten. Nicht aber bei der versammelten Konkurrenz, die auch in den Jahren zwischen den zwei ersten Ölkrisen Generationenwechsel überwiegend mit der Präsentation von Neukonstruktionen kombinierte. Finanziell jedenfalls fuhr Ford offenbar bestens mit seiner Strategie kosmetischer Facelifts. Wurden doch die mit akkurater Sparsamkeit erneuerten Modelle in vielen Ländern vom Publikum so gut angenommen, dass sie in den Bestsellercharts meist weit vorne fuhren. Dies galt sogar für den Escort II, der in Deutschland in erster Generation eher enttäuscht hatte und nun trotz fortschrittlicherer Konkurrenz durch den Käfer-Nachfolger Golf deutlich mehr Stückzahlen machte. Bereits 1975, dem ersten vollen Verkaufsjahr, votierten 100.000 deutsche Kompaktklasse-Käufer für den Escort-Neuaufguss, während der sieben Jahre gebaute Vorgänger in Deutschland insgesamt nur 300.000 Kunden durchs Leben eskortierte.
Noch eindrucksvoller waren die Zahlen für Großbritannien, wo der kleinste Ford traditionell die Rolle eines für alle erschwinglichen und dennoch überaus begehrenswerten Volksautos ausfüllte. Was zuerst in den 1920er-Jahren Herbert Austin mit seinem billigen Fließbandauto Austin Seven gelungen war, setzten ab Ende der 1930er-Jahre die kompakten Ford im Vereinigten Königreich fort. Unter dem Namen Ford Popular als automobile Basismotorisierung und in anderen Escort-Linien als ultimatives Traumauto für weniger gut verdienende Angestellte und Arbeiter. Eine Aufgabe, die der Escort II souverän erfüllte.
Ein kleiner Ford als Traumauto? Was hierzulande damals kaum denkbar war, sah im Land der streikgeschüttelten und von Qualitätsproblemen geplagten Massenhersteller British Leyland und Chrysler UK anders aus. Nicht wenige Briten warteten geradezu sehnsüchtig auf Brenda, wie der erneuerte Escort in seiner Entwicklungsphase genannt wurde. Während sich deutsche Käufer 1975/76 massiv über kleine Kinderkrankheiten der in Saarlouis gefertigten zweiten Escort-Generation beschwerten, sahen die Engländer über solche Anlaufprobleme großzügig hinweg. Ford war im Inselreich ein Inbegriff von Zuverlässigkeit – zumindest in Relation gegenüber Autos wie Austin Allegro, Morris Marina oder Hillman Avenger. Und so waren die Modelle Ford Cortina und Escort 1975/76 einmal mehr nationale Bestseller.
Nicht ganz so souverän fiel der Vorsprung des erneuerten Ford Escort auf Märkten des ehemaligen britischen Empires aus. Besonders in Australien und Neuseeland geriet der Ford unter Druck durch japanische Importe mit gleichermaßen konventioneller, aber noch zuverlässigerer und preiswerterer Technik. Weshalb Ford Ende 1980 die dritte Escort-Generation dort gar nicht erst einführte, sondern durch Kooperationsmodelle mit Mazda ersetzte. Eine Sonderstellung nahm nur Südafrika ein. „Born to perfom“ lautete hier die Marketing-Zauberformel, die den anfangs biederen Escort zum sportlichen Kultauto transformierte. Was in Europa den Topversionen RS 1800 (nicht für Ford Köln) und RS 2000 vorbehalten war, gelang in Südafrika bereits durch einen Escort 1600 Sport. Ford South Africa implantierte in bis dahin schwer verkäufliche 40 kW/54 PS leistende Escort 1300 Zweitürer potentere 1,6-Liter-Aggregate mit 62 kW/84 PS, schärfte das Fahrwerk nach – fertig war der bezahlbare, leichtgewichtige Straßenrenner, der vom Image eines Titanen in der Rallye-Weltmeisterschaft profitierte. Dort erkämpfte sich der Ford Escort RS mit englischem Cosworth-Motor zahllose Siege bis 1979 nicht nur der Marken- sondern unter Björn Waldegard und auch der Fahrertitel errungen wurde. In Europa wurden die Straßensportler Escort RS 1800 und RS 2000 auf dem Genfer Salon 1975 präsentiert, nach dem der zuvor auf der Brüsseler Messe gezeigte Escort 1600 Sport das Publikum weniger begeisterte. Offenbar war er trotz kräftiger 62 kW/84 PS (die Basis bot nur 32 kW/44 PS) optisch zu dezent gehalten.
Dagegen wurde der RS 2000 ein schillernder Star durch eine spektakuläre Polyurethan-Frontpartie, die den 3,98 Meter kurzen Escort um 17 Zentimeter länger machte und den Luftwiderstandsbeiwert zugleich um 16 Prozent reduzierte. 81 kW/110 PS ließen diesen Ford vehementer beschleunigen als Opel Kadett GT/E und den etwas später folgenden Golf GTI. 8,9 Sekunden für den Sprint von Null auf Tempo 100, das wirkte damals wie im Zeitraffer, ließ auch Porsche 924 oder dem doppelt so starken V8-Boliden Mercedes 450 SL keine Chance, Anschluss zu finden.
Ganz im Gegensatz dazu galt der Standard-Escort 1300 GL (kein Mehrpreis gegenüber der 1,1-Liter-Version) von Anfang an als träge im Umfeld von Konkurrenten wie VW Golf, Opel Kadett 1200 S, Fiat 128 oder Alfasud. Dafür inkludierte er etwas, was nicht einmal der Klassenprimus Golf bot – eine doppelt so lange Garantiezeit. Für Ford Deutschland war dies eine Investition, die sich auszahlte. Trotz der Anlaufprobleme früherer Exemplare fuhr der kompakte Konservative kräftige Gewinne in die Kasse. Bis Brenda im Sommer 1980 durch Erika abgelöst wurde, die dritte Escort-Generation. Nur einmal noch bestimmte ein biederer blauer Escort des Baujahres 1975 die weltweiten Schlagzeilen: Im Sommer 2005 wurde das ehemalige Fahrzeug des verstorbenen Papstes Johannes Paul II. zum Rekordpreis von 690.000 US-Dollar versteigert.
Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Ford, SP-X