Es dauerte lange, bis nach Einführung der Formel 1 als der höchsten Motorsport-Kategorie auch die Auto-Nation Deutschland wieder in die Schlagzeilen des Grand-Prix-Sports geriet. Mercedes hatte in den fünfziger Jahren zwar ein kurzes Gastspiel gegeben, doch Männer vom Schlage eines Rosemeyer, Stuck oder Caracciola, wie sie einst die Massen begeistert hatten, waren (noch) fehl am Platz. Über den Namen Wolfgang Graf Berghe von Trips oder dem des gebürtigen Mainzers Jochen Rindt aber lag ein Fluch. Der Ferrari des Grafen kollidierte 1961 beim Großen Preis von Italien mit dem Lotus von Im Clark. Der Bolide wurde in die Menge geschleudert, Trips und 14 Zuschauer fanden den Tod. Und wieder war es der italienische GP, der Schicksal spielte für einen deutschen Piloten: Neun Jahre später, am 5. September 1970, kam Jochen Rindt beim Training zum Großen Preis von Italien ums Leben. Der gebürtige Mainzer, der bei den Großeltern in Graz aufwuchs, wurde posthum zum Weltmeister ernannt. Sein Punkte-Vorsprung war so groß, dass er von keinem anderen Fahrer mehr eingeholt werden konnte. Tödliche Unfälle waren in dieser Zeit fast an der Tagesordnung, auch wenn die FIA an den Sicherheitsvorkehrungen für die Fahrzeuge arbeitete. Feuerfeste Anzüge wurden ebenso wie der Vollvisier-Helm Pflicht. Aerodynamische Anbauteile sollten den Boliden bessere Traktion und mehr Abtrieb verleihen.
Doch im Rausch der Rekorde, der Geschwindigkeit und auch der neuen Macht des Geldes durch Sponsoren und Televisions-Vermarkung blieb vieles Stückwerk. Die geforderten Überrollbügel beispielsweise wurden mehr oder weniger halbherzig zusammen geschustert und waren mehr Gefahr als Schutz für die Piloten. Heraus ragende Piloten wie Bruce McLaren, Piers Courage, Lorenzo Bandini, der Schweizer Jo Siffert oder Mexikos Heros Pedro Rodriguez starben den Tod auf der Rennstrecke. Lange bevor mit dem Brasilianer Ayrton Senna die Formel 1 wohl ihr prominentestes Opfer beklagen musste.
Der Motorsport war in seiner extravagantesten Darstellungsform längst in den Strudel wirtschaftlicher Abhängigkeiten geraten. Neue Rennställe mit Namen der Sponsoren („Marlboro-BRM“, „John Player Special Team“,) schossen wie Pilze aus dem Boden. Eine neue Fahrer-Generation wie der Schotte Jackie Stewart, der Brasilianer Emerson Fittipaldi, der Argentinier Carlos Reutemann, der Südafrikaner Jody Scheckter oder auch der Österreicher Niki Lauda und sein britischer Widersacher James Hunt betraten die Szene.
Ein technisches Unikum war der einzige sechsrädrige Formel-1-Bolide den es je gegeben hatte: Der Tyrell P 34, der – durchaus regelkonform – 1976 beim Grand Prix von Spanien plötzlich wie Phönix aus der Asche auftauchte. Der Monoposto verfügte vorn über vier Zehnzoll-Räder auf zwei Achsen. Hinten hatte er zwei größere Räder. Scheckter fuhr mit dem Tyrell in Schweden zwar einen Saisonsieg ein, doch die extrem hohen Entwicklungs-und Produktionskosten rechneten sich nicht. Auch wenn sich durch die flache Frontpartie und die kleinen Reifen hervorragende Luftwiderstands-Beiwerte (cw-Werte) ergaben.
Der Tyrell wurde nur ein weiteres Jahr, bis 1977 also gebaut, danach ging er als motorsportlicher Dinosaurier ins Museum. Es war das Jahr nach dem vielleicht spektakulärsten Unfall der Königsklasse des Motorsports, dem Horror-Unfall Niki Laudas auf dem Nürburgring. Danach wurde auf der Nordschleife nie mehr ein Formel-1-Rennen gefahren. In diesen Tagen geht es für die vielleicht schönste Rennstrecke der Welt, der Jackie Stewart einest den Namen „Grüne Hölle“ gab, selbst um nichts Anderes als ums Überleben. Ausgang ungewiss.
Text: Jürgen C. Braun/Fotos: Archiv Jürgen C. BraunQuellenangabe: „Die Geschichte der Auto-Rennen“, Giuseppe Guzzardi, Enzo Rizzo, 2000; „Die Deutschen in der Formel 1“, Erich Kahnt, 1995;