Eigentlich ist Gianfranco Dini ein ganz normaler „Mechanico“ aus Italien. Morgens repariert der Kfz-Meister die Traktoren seiner Nachbarn, nachmittags dengelt er ein paar rostige Alfas und dazwischen nimmt er am Caffe Coretto in der Bar auf der Piazza. Doch wenn es Nacht wird in Aquapendetene und sich die Rolltore seiner Werkstatt im schmuddeligen Industriegebiet schließen, dann zeigt der Mechaniker sein zweites Gesicht und wird zu einer Art Professor Frankenstein. Zusammen mit ein paar Freunden schraubt er fast jeden Abend an alten Cinquecentos und rüstet die klassische Knutschkugel zu wahren Monstern auf.
Sein jüngstes Geschöpf ist eine Kreuzung aus Fiat 500 und Lamborghini Murcielago und sieht aus wie ein Kleinwagen, der wie Obelix in den Zaubertrank gefallen ist: Das sympathische Gesicht des Oldtimers ist mit der tiefen Schürze und den dicken Backen zu einer fiese Fratze geworden. Die Seite erinnert mit den riesigen Lufteinlässen vor der Hinterachse eher an einen Starfighter als an ein Straßenfahrzeug und das Heck ist so breit und bullig, als könne der Cinquecento vor Kraft kaum laufen. Doch weit gefehlt: Denn wo früher mal ein asthmatischer Zweizylinders mit anfangs 500 Kubik und mageren 18 PS röchelte, tobt hinter dem Fahrersitz jetzt ein 6,2 Liter großer Zwölfzylinder, der irrwitzige 580 PS leistet und so viel Platz braucht, dass Dini seinem Cinquecento ein komplett neues Heck geschneidert hat. Darunter steckt eine eigene Plattform mit extra verstärktem Rahmen, die in Radstand und Spurweite so variabel ist, dass sie jeden Motor aufnehmen kann. „Selbst der 16-Zylinder des Bugatti Veyron ist kein Problem“, sagt Signore Dini. „Wenn Sie den Motor besorgen, baue ich das Auto. Wollen wir wetten?“
Zwar erkennt man mit etwas Phantasie noch die Silhouette und das Gesicht des alten Cinquecento. Doch viel mehr als die Fronthaube und ein paar Scheiben sind von dem 1971er Fiat 500 nicht übrig geblieben. Alles andere hat Signorie Dini neu gedengelt und quasi um den V12 herum gebaut – den ausfahrbaren Spoiler, die elektrisch öffnende Motorhaube und den Glaskasten anstelle der Rückbank inklusive: „Wir hatten da schließlich ein kleines Platzproblem“, schmunzelt der Monstermacher, während sein Blick so verliebt über die breite Kehrseite des Fiats streift, als schaue er noch einmal der jungen Lollobrigida hinterher. Dazu gibt es ein liebevolles Interieur in rotem Leder, das wie der Motor, die Achsen, das Getriebe und der Allradantrieb fast komplett aus dem Murcielago stammt.
Das sieht zwar einladend aus. Doch von Wohlfühlatmosphäre ist der Frankenstein-Fiat weit entfernt. Es ist eng und heiß wie in der Hölle, der Sound raubt einem die Sinne. Und mit dem Tank vor den Knien und nichts als dem Motor im Nacken fühlt man sich festgeschnallt in den roten Lederschalen wie Baron Münchhausen auf der Kanonenkugel. Nur dass Dini kein Lügenbaron ist. Sein Fiat funktioniert tatsächlich – und wie.
Dicker Rauch quillt aus den ewig breiten Radkästen, unter denen sich die gekürzten Lambo-Achsen breit machen. Dann greifen die riesigen Walzen in den Asphalt und mit ohrenbetäubendem Brüllen schießt die ehemalige Knutschkugel davon. Am Steuer vergeht einem Hören und Sehen, der in der fest stehenden Lenkradnabe montierte Drehzahlmesser schnellt Richtung 7.000 Touren und im Augenwinkel erkenne man noch, dass der Tacho bis 400 geht. Übertrieben? „Probier’s aus, wenn Du Dich traust“, brüllt Dini in den Lärm. „Mich hat bei 300 Sachen der Mut verlassen, und da war die Luft aus dem Lambo-Motor noch lange nicht raus.“
Der tarnkappengraue Tiefflieger ist nicht der erste Monster-Fiat aus der Werkstatt von Signore Dini. Davor hat er auch schon den Sechszylinder-Boxer eines Porsche 911 und den V8 des Ferrari 308 ins Heck der Knutschkugel gequetscht. Und es wird auch nicht der letzte sein. Denn auf der Hebebühne steht schon der nächste. Der hat zwar nur einen V6-Motor von Chrysler. Doch wird das dafür das erste Cabrio des verrückten Italieners.
Mittlerweile wird es in seiner Werkstatt auf halbem Weg zwischen Florenz und Rom so eng, dass Dini langsam darüber nachdenken muss, seine Kanonenkugeln zu verkaufen. Angebote aus Russland, Amerika, China und den Emiraten hat er schon zuhauf. „Viele wollten mehr zahlen, als für einen echten Lamborghini“, freut sich der Mechaniker. Aber so richtig trennen kann er sich vom Frankenstein-Fiat noch nicht. Irgendwie ist ihm sein Monster halt doch ans Herz gewachsen. Genau wie damals bei Professor Frankenstein.
Text und Fotos: Benjamin Bessinger/SP-X