Feuertaufe mit Bravour bestanden: Beim chaotischen Auftakt der Rallye-Weltmeisterschaft, der 81. Auflage der Rallye Monte Carlo, lieferte ein junger Mann aus dem Erzgebirge endgültig den Nachweis, dass Deutschland den viel zitierten und oft herbei gesehnten „neuen Röhrl“ gefunden haben könnte. Sepp Wiegand beendete die „Monte“, die wegen extremer Witterungsverhältnisse nach 16 von 18 Wertungsprüfungen abgebrochen werden musste“, im leistungsschwächeren Škoda Fabia auf Rang acht.
Siebter Sieg für Sébastien Loeb an der Cote d’Azur, Rang zwei für Volkswagen zum Einstand in die Rallye-WM dank eines glänzenden Auftrittes des Duos Sébastien Ogier/Julien Ingrassia im Polo R World Rallye Car. Für den erst 22-jährigen deutschen Hoffnungsträger Sepp Wiegand nach insgesamt vier schweren Rallyetagen mit extremen Witterungs- und Straßenbedingungen bestenfalls Randerscheinungen. Während Loeb, immerhin neunfacher Weltmeister und Dominator des vergangenen Jahrzehntes, von „der schwierigsten Monte meiner Karriere“ sprach, stand Wiegand mit leuchtenden Augen im Škoda-Service und erzählte locker plaudernd, dass er Schnee, Eis und rutschigen Asphalt liebe, weil „das meinem Fahrstil entgegen kommt. Es war schon sehr extrem in den vergangenen Tagen. Sonne, Nebel, Regen, Schnee, Eis und dann die Menschenmassen an den Wertungsprüfungen. Eine unglaubliche Atmosphäre.“
Seit mehr als 30 Jahren gehen junge deutsche Rallyesportler mit der gleichen Hypothek in internationale Rennen. Sie werden gemessen an den Erfolgen des inzwischen 66-jährigen Walter Röhrl, der die wohl berühmteste Rallye der Welt damals vier Mal mit vier verschiedenen Fahrzeugen gewann. Zu einer Zeit, als Michael Schumacher noch in die Schule ging, Sebastian Vettel noch gar nicht geboren war und deutsche Piloten in der „Königsklasse“ Formel 1 bestenfalls Staffage waren, faszinierte der Perfektionist auf Rädern Walter Röhrl die Motorsport-Fans. Röhrl lieferte die begehrten sportlichen Schlagzeilen für die Autonation Deutschland, wenn er es in der „Nacht der langen Messer“ auf dem Col de Turini mal wieder allen Anderen gezeigt hatte.
Die Faszination Rallyesport ist hierzulande nach wie vor ungebrochen. Nicht nur der aktuelle deutsche WM-Lauf rund um Trier zieht die Massen in ihren Bann. Veranstaltungen wie das „Eifel Rallyefestival“ mit jede Menge Nostalgie und eben dem „Zugpferd“ Röhrl locken Zehntausende an die Strecken. Die Sehnsucht nach einem deutschen Fahrer, der einmal in die allzu großen Fußstapfen des „Rallye-Superhirns“ Röhrl treten könnte, war vor diesem Hintergrund ebenso verständlich wie kaum einzulösen. Kandidaten wie Armin Schwarz, Armin Kremer oder Matthias Kahle gab es genug. Die Aura des Mannes, der Vorbild und Bedrohung zugleich war, erreichte sie jedoch alle nicht.Mit dem jungen Mann aus dem Erzgebirge kommt jetzt einer, der scheinbar unbeschwert und unbelastet von den Vorgaben eines Mannes, der sein Großvater sein könnte, antritt. Wiegand, von Volkswagen protegiert, kommt aus dem Trial-Sport, hatte bereits als 15-Jähriger Erfolge auf zwei Rädern im Gelände auf zu weisen und ist offenbar mit jenen Genen ausgestattet, die man braucht, um einmal in die absolute Weltspitze herein zu fahren. Mut, Furchtlosigkeit, technisches Verständnis und die Fähigkeit zwischen Risiko und Kalkül genauestens abwägen zu können, sind bei ihm extrem stark ausgeprägt.
Bei der „Monte 2013“ beherrschte der Sachse mit seinem Co. Frank Christian im leistungsschwächeren Škoda Fabia (280 PS gegenüber ca. 315 im Polo R WRC) die WRC2-Klasse quasi ohne Gegenwehr. 2012 absolvierte er ein unglaublich lehrreiches „Gesellenjahr“ als Teamkollege von Ogier bei VW Motorsport. Davon profitiert der junge Mann, der ein gesundes Selbstvertrauen besitzt, jetzt offensichtlich. Er wird – neben den blau-weißen Polo WRC – im August auch bei der Rallye Deutschland für Schlagzeilen sorgen. Der Enkel des übermächtigen Opas im Rallye-Cockpit hat an diesem Wochenende gezeigt, wozu er fähig sein kann. Und er ist begierig, weiter zu lernen: „Jeder Kilometer im Auto bringt mich weiter.“
Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Volkswagen Motorsport, Jürgen C. Braun