Liebe Leserin!
Lieber Leser!
An der Schwelle des neuen Jahres, das gerade erst ein paar Tage alt ist, überschlagen sich die Auguren stets mit allerlei Weissagungen. Wahre Profis auf diesem Gebiet verhüllen ihren verschwurbelten Blick in die Zukunft meist dermaßen nebulös, dass man alles oder auch gar nichts aus diesem Date mit der Glaskugel heraus lesen kann. Außer vielleicht der Äußerung des verhinderten Propheten kurz vor Ende des soeben erst begonnen Jahres, dass er ja alles „genauso vorausgesagt habe.“
So ist es auch mit dem Dekret, das der Verband der Automobilindustrie (VDA) alljährlich zu Beginn eines neuen Jahres herausgibt. Das Papier mit dem tiefgründigen Inhalt flatterte vergangene Woche wieder einmal in die Redaktionsstuben (oder besser gesagt über die Mail-Server) der Automobil-Journaille. Darin war unter anderem von einem „Sorgen bereitenden wirtschaftlichen Umfeld mit einer zu befürchtenden Stagnation der Zulassungszahlen“ die Rede.
Nun, diese Textbausteine hätte man auch getrost der Neujahrsansprache einer Regierungschefin oder dem Grußwort des Vereinsborsitzenden zum Schutz der nordfriesischen Wattwürmer entleihen können. Mit anderen Worten: Keine Aussage, nur Stochern im Nebel. Hauptsache, es wird etwas gesagt und in gescheit anmutende Worthülsen verpackt.
Schon eher auf hohes Drehmoment in den Synapsen der Verbands-Oberen lässt die Aussage schließen, dass man sich 2013 darum bemühen werde, für das eingedeutschte Kürzel „SUV“ eine Bezeichnung zu finden, das unsere Muttersprache nicht zur völligen Bedeutungslosigkeit degradiert.
SUV: diese drei Buchstaben stehen für „Sport Utility Vehicle“, was (ziemlich frei) übersetzt heißt: sportliches Gebrauchsfahrzeug. Im Kern der Aussage schon ausgesprochen sinnfrei: Entweder handelt es sich bei Autos, in denen man höher sitzt, auf schmierigem Untergrund sicher fahren kann und das man ohne nennenswerte orthopädische Beschwerden betreten kann, um einen Sportwagen – oder um ein Gebrauchsfahrzeug. Beides zusammen aber geht nun mal nicht.Scheinbar findige Attentäter auf unsere deutsche Muttersprache sind dazu übergegangen, das SUV mit dem Beinamen „Crossover“ zu schmücken. Was, wenn mich mein Alltags-Englisch nicht ganz im Stich lässt, soviel wie „Mischform“ bedeutet. Was vielleicht, vor allem letzteres, sogar das Zeug zum Unwort des Jahres hätte.
An der Zeit wäre es jedoch, sich für derlei Fahrzeuge auf eine einheitliche Sprachregelung zu einigen. Nachdem die italienische Sportwagen-Ikone Lamborghini sogar mit dem Sakrileg droht, einen Geländewagen mit dem Namen „Urus“ einzuführen, wird die Zahl der Ignoranten auf diesem Gebiet wohl sehr zurückgehen. Man denke an Bentley, Bugatti, Rolls Royce, Ferrari: Warum bloß, diese Frage muss endlich einmal gestellt werden, gibt es noch keine geländefähigen Derivate dieser Autohersteller, die unser Straßenbild Tag für Tag im Überfluss bereichern?
Bis es so weit ist, – und das wird hoffentlich noch eine Zeitlang dauern – wünsche ich Ihnen zunächst einmal ein erholsames Wochenende.
Ihr Jürgen C. Braun