Liebe Leserin, liebe Leser,
hat der erste Schnee für diese Jahr Sie auch schon überrascht, hat er Sie heimgesucht, haben Sie mit ihm gerechnet, oder lässt er Sie einfach (noch) in Ruhe? Fakt ist: Bei uns im Hunsrück, einem Mittelgebirge zwischen Mosel, Saar und Rhein gehört die Schneeschaufel (wir sagen übrigens Schneeschipp‘ ohne „e“ hinten) in diesen Tagen jedenfalls zur täglichen Grundausstattung. Seit gut einer Woche schüttelt Frau Holle in schöner Regelmäßigkeit mal mehr, mal weniger heftig ihre Kissen und Federbetten über unseren Dächern aus.
Was auch für uns als Verkehrsteilnehmer nicht ohne Folgen bleiben kann: Wir sind in jeder Hinsicht davon betroffen, auch wenn wir nicht mit dem Auto unterwegs sind. Denn wenn es schneit, bedeutet das, dass der Bürgersteig frei zu sein hat. Und zwar möglichst umgehend nach dem einsetzenden Schneefall. Anderenfalls macht man sich einer Ordnungswidrigkeit schuldig. Das kann mitunter dergestalt an den Geldbeutel gehen, dass es Größe und Inhalt des Weihnachtspäckchens beeinträchtigt.
Bei mir ist das Procedere in jedem Jahr das Gleiche: Immer, wenn ich zum ersten Mal „die Schneeschipp“ (Sie wissen schon, ohne „e“ hinten) schwinge, dann kommen bei mir Kindheitserinnerungen auf. Jahr für Jahr könnte ich schwören, dass die Winter „früher“ härter waren. Dass es öfter und heftiger geschneit hätte. Und dass wir alle (also auch ich, was das eigentlich Schlimme an der Sache ist) ein Opfer der galoppierenden Klima-Erwärmung geworden sind. Nein, nicht nur die Polkappen schmelzen in bedrohlichem Tempo. Auch hierzulande wird es vermutlich nicht mehr allzu lange dauern, bis wir den Tisch am Heiligen Abend mit frisch gepflückten Maiglöckchen schmücken und uns in Badelatschen um die verwundert drein schauenden Esel, Ochs und das Jesuskind in der Krippe versammeln.
Aber einmal abgesehen von der Intensität der Witterungs-Unbill: Zum Winterdienst in seiner ursprünglichsten Form, nämlich mit Schaufel und Besen, sind wir im Zeitalter der permanenten Automobilität kraft Gesetz alle verpflichtet. Unsere Vorfahren hatten es da noch einfacher. Als es noch keine Fortbewegungsmittel gab, die ihren Vortrieb aus der Kraft eines Verbrennungsmotors bezogen, wechselte man einfach das Gefährt. Man stieg von der Kutsche auf den Schlitten um. Und weiter ging‘s. So jedenfalls habe ich mir das vorgestellt, als ich heute Morgen vor dem Haus persönlichen Winterdienst bestritt und mich dabei von den vorbei rauschenden Fahrzeugen mit grau-braun-schmutzigem Matsch bespritzen ließ.
Je nach Wohnort, und daraus resultierender Schneemenge sollten Sie sich also für den Einsatz auf und um den Bürgersteig für ein Räumgerät zwischen Plastikschaufel für 9,95 Euro und einem Hummer H1 mit integriertem Schneepflug entscheiden. Für Letzteren gibt es übrigens im world wide web schon günstige Gebraucht-Angebote ab ca. 50.000 Euro aufwärts. Wobei die finanzielle Belastung bei dieser Variante durch einen beträchtlich höheren Vergnügungsfaktor ausgeglichen würde.
Zu guter Letzt noch zwei unumstößliche Regeln für alle Werktätigen an der Schneeschaufel: Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) informiert auf seiner Homepage darüber, dass von sieben bis 20 Uhr der Bürgersteig gut begehbar sein sollte. Was noch lehrreicher (und schmerzhafter) sein kann: Beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft erfährt der Winterdienst-Wissensdurstige, dass man sich bei nicht geräumtem Trottoir nicht nur einer Ordnungswidrigkeit schuldig macht. Der Betreffende kann in solchen Fällen auch für Schäden haftbar gemacht werden, die sich Passanten bei einem Sturz zuziehen.
Ich wünsche Ihnen ein frohes (und weitestgehend „Schipp-freies“) Wochenende.
Ihr Jürgen C. Braun