Liebe Leserinnen!
Liebe Leser!

Ist es Ihnen in der vergangenen Woche in der Nacht von Montag auf Dienstag auch so ergangen wie mir? Dass Sie sich trotz weit fortgeschrittener Stunde nicht von der Glotze lösen konnten angesichts des informativen Overkills der da auf uns herab prasselte. Schließlich galt es, ein alle vier Jahre wiederkehrendes, aber dennoch epochales Ereignis medial entsprechend vorzubereiten. Die (Wieder)-Wahl des amerikanischen Präsidenten nämlich. Dass dabei alle möglichen und unmöglichen Leute zu Wort kamen und sich in Diskussionsrunden verbal austobten, liegt in der Natur der Sache. Das unbedachteste, vielleicht aber auch beschämendste und verletzendste „Bonmot“ aber hat – nicht nur auf der Zielgeraden des sündhaft teuren Wahlkampfes – Obama-Vize Joe Biden von sich gegeben. Um die wirtschaftlichen Fortschritte zwischen Florida und Kalifornien sowie die Erfolge des Amtsinhabers in der Terrorbekämpfung kurz und prägnant zu verdeutlichen, verstieg sich der demokratische Vize-Präsident zu dem geflügelten Wort: „General Motors lebt und Osama Bin Laden ist tot.“Warum aber bitte schön geht es dem amerikanischen Automobil-Giganten denn (wieder!) so gut und was hält GM am Leben? Die Mutter General Motors lebt leider in erster Linie auf Kosten der wirtschaftlichen Gesundheit ihrer außer-amerikanischen Töchter. Für die Mitarbeiter von Opel, vor allem den Arbeitern in dem von der offensichtlichen Schließung bedrohten Werk Bochum, muss die flapsige Bemerkung „General Motors lebt“ wie blanker Hohn geklungen haben. Denn, dass es in Detroit und in der Konzernzentrale wieder aufwärtsgeht und schwarze Zahlen geschrieben werden, ist allein der globalen Kahlschlag-Politik des Automobilbauers Nr. 1 weltweit zu verdanken.

Diese Vorgehensweise resultiert nach wie vor aus dem historisch verankerten Alleinvertretungsanspruch vieler Amerikaner. Für die Mehrheit der Bewohner jenseits des „Großen Teiches“ ist „good Old Europe“ schlicht und ergreifend so bedeutend wie ein überflüssiges Weizenkorn in Kentucky. Egal, ob Opel in Rüsselsheim, Kaiserslautern oder Bochum, ob Vauxhall in Großbritannien oder auch Holden in Australien: Die kupierten Töchter auf den übrigen Kontinenten sind es, die die große Mutter in den States derzeit im Glanz der Bilanz-Zahlen erstrahlen lassen. Doch dahinter stecken Tausende, Zehntausende, Hunderttausende von Einzelschicksalen. Denn nicht nur die Autobauer wie Opel selbst sind es, die betroffen sind. Auch viele Zulieferer trifft es. Und privaten Kaufleuten, Institutionen oder Vereinen fehlt die wirtschaftliche Kaufkraft eines engagierten Werks-Angehörigen ebenfalls.Indes: Vielleicht heiligt der Zweck ja doch die Mittel. Das Ergebnis der langen Wahlnacht und der vielen (überflüssigen?) Talkrunden ist ja mittlerweile hinreichend bekannt.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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