Vor mittlerweile 36 Jahren sorgten drei Buchstaben dafür, dass aus einem biederen Alltagsauto ein Begriff für Fahrspaß, für Sportlichkeit, für Emotion wurde: Der VW Golf, nach dem ein ganzes Segment, eine Klasse, benannt wurde, mauserte sich 1976 durch die drei Buchstaben GTI zum Kurvenräuber. Der GTI wurde zum Statussymbol für (nicht nur, aber hauptsächlich) junge Menschen, die mit einem bezahlbaren und nicht übermäßig protzigen Auto ein Fahrzeug fanden, mit dem man sich aus der Masse abhob. Seht her: Ich fahre zwar Golf, aber ich bin kein gewöhnlicher Golf-Fahrer. Nein, ich fahre zwar Golf, aber nicht nur Golf: ich fahre GTI.
Seit dem 20. Geburtstag des ersten GTI haben die Wolfsburger alle fünf Jahre den Geburtstag des erstmals mit 110 PS auf die Verkehrsteilnehmer losgelassenen Flitzers mit einer Sonderedition gefeiert. Das war auch im vergangenen Jahr so. Da stellte VW den Golf GTI in der „Edition 35“ vor. Genau der war unser Testfahrzeug, an dem uns neben der Performance, der Straßenlage, der Optik, und ein paar anderen sportlichen Attributen vor allem eines begeisterten das Doppelschaltgetriebe DSG und der niemals endende Kraftschluss beim Gangwechsel.
Die „Edition 35“ gilt als der stärkste GTI, den es je gab, und diesem Bonus wird er auch in allen Nuancen gerecht. Der kompakte Flitzer aus Wolfsburg stemmt 235 PS auf die Kurbelwelle. Mit dieser Leistung liegt er etwa in der Mitte zwischen dem „normalen“ Golf GTI (210) und dem Golf R (270 PS). Von diesem hat der GTI Edition 35 auch in einer etwas abgespeckten Version das Antriebsaggregat erhalten. Der direkt einspritzende und Abgas-aufgeladene Zweiliter-Turbo befeuert auch den Audi S3 der Ingolstädter Konzerntochter.
br> Der Sprint innerhalb von 6,6 Sekunden von Null auf 100 wird begleitet von einem dumpfen Grollen im „Keller“ und einem satten, kernigen Ton, wenn es in den oberen Drehzahlbereich geht. Das sind laut Volkswagen 0,3 Sekunden schneller als beim „Nicht-Jubiläums-GTI“. Doch das ist, genau wie die Höchstgeschwindigkeit von 247 km/h, eher etwas für Freunde der Statistik. Wahre Leidenschaft lässt sich nur beim fahren selbst vermitteln, wenn das Kompaktfahrzeug zügig aus dem Stand heraus beschleunigt, satt auf der Straße liegt und auch jenseits der 200 km/h noch merklich an der Tachonadel zerrt.
Die VW-eigene Entwicklung des zügigen Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebes DSG passt zu diesem Auto wie die berühmte Faust aufs Auge. Kraftschluss ohne Ende beim Gangwechsel. Wenn man dann noch den manuellen Part der Arbeit an den am Lenkrad angebrachten Schaltwippen selbst erledigt, kommt echtes Race-Feeling auf. Wozu auch die Sound-Ingenieure das Ihre mit beigetragen haben. Sehr gut in der Hand liegt das nach unten abgeflachte Lenkrad des GTI Edition 35. Die 8,0 Liter, die Volkswagen als Durchschnittsverbrauch in der DSG-Version angibt, mögen bei größter Disziplin einzuhalten sein, werden dann aber dem eigentlichen Charakter, dem Sinn und Zweck dieses Fahrzeuges nicht gerecht. Wir legen jedenfalls bei einem Drittel-Mix von Stadt, Landstraße und Autobahn ein paar Zehntel über der Zehnliter-Marke.
Wie das DSG passt auch das serienmäßige Sportfahrwerk unseres Probanden zu diesem Spaßauto. Nur mit äußerster Mühe ist das Fahrzeug in jenen Grenzbereich zu bringen, wo das ESP rettend eingreifen müsste. Wobei wir der Wahrheit und der Fahrsicherheit wegen eingestehen, dass wir derlei Versuche auf der (öffentlich zugänglichen) Nordschleife des Nürburgrings unternommen haben. In das bei einem solchen Fahrzeug unbedingt notwendige Sicherheitspaket gehört auch die elektronische Differenzialsperre XDS an der Vorderachse. Sie bewirkt, dass das kurveninnere Rad immer dann gezielt abgebremst wird, wenn es Haftung zu verlieren droht. Nebeneffekt: Das für Fronttriebler eigentlich übliche, leichte Untersteuern in schnell gefahrenen Kurven wird dadurch ausgeglichen.
Ein sinnvolles Extra für Fahrer, die die Performance des GTI Edition 35 voll auskosten wollen, ist auch die adaptive Fahrwerksregelung DCC für 965 zusätzliche Euro. Mit ihr lassen sich auf Knopfdruck Dämpfer und Lenkung noch einmal verhärten. Reminiszenzen an den UR-GTI sind der Schaltknauf im Golfball-Design und die karierten Sitzbezüge. Von außen lässt sich die Jubiläumsauflage nur schwer als solche ausmachen. Zu den Besonderheiten gehören etwa die schwarzen Außenspiegelgehäuse, die Schwellerverbreiterungen in Wagenfarbe oder die Rückleuchten in LED-Technik.
Der VW Golf GTI Edition 35 kostet mit Doppelkupplungsgetriebe 32.775 Euro.
Text und Fotos: Jürgen C. Braun