Buchtipp der Woche

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Dr. med. Martin Anibas: Herr Doktor … Unglaubliche Geschichten aus dem Leben eines Urologen. Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag; 9,90 Euro.

Auf Fotos blickt er ziemlich ernst drein, und das steht in krassem Gegensatz zu dem, was Martin Anibas aus seinem Berufsleben erzählt. Denn der promovierte Mediziner und Facharzt für Urologie hat in rund 30 Berufsjahren tatsächlich etliches erlebt, was als Drehbuch für einen Spielfilm in den Redaktionen vermutlich als viel zu skurril abgelehnt würde.

Schon als junger Bub war Martin Anibas nach eigenen Angaben handwerklich nicht nur interessiert, sondern auch geschickt, so ein typischer Schrauber. In Verbindung mit dem ehrlichen Anliegen, Menschen helfen zu wollen, also die Idealvoraussetzung für ein Leben als Mediziner, zumal auch Erfahrungen als Patient und Praktikant bei einem Dentisten seinen Idealismus nicht trübten. (Für die jüngere Leserschaft: Was es mit dieser Spezies auf sich hat, die noch bis in die siebziger Jahre mit Zahnärzten um die Gunst von Patienten konkurrierten, erklärt Anibas sehr genau).

Was der Zahn-Rabiatnik nicht schaffte, wäre dem Krankenhausalltag vielleicht gelungen – den jungen Mediziner an seinem Ziel doch noch zweifeln zu lassen. Ein unerschütterlicher Glaube an sich selbst und an die Menschheit muss es gewesen sein, der Anibas im Dickicht aus Weißkitteln, Operationssälen und Krankenzimmern überleben ließ, in einem Dickicht, gegen das sich heutige TV-Dschungelcamps bisweilen wie eine Spielstube ausnehmen. Selbstherrliche Chefärzte, dem Alkohol und dem Nikotin ergebene Kollegen … die Lehr- und Wanderjahre bis zur Facharztanerkennung sind zweifellos eine Nervenzerreißprobe gewesen. Vor allem, weil der Arzt sich in diesem Dschungel jede Menge Gespür für die sensiblen Angelegenheiten der Patienten bewahren muss, denen man ob schamhaft verschwiegener, aber schmerzender Probleme die Beschreibungen ihrer Beschwerden Stück um Stück mit viel Geschick entlocken muss. Und wenn der Patient schließlich erklärt, sich wie an einem Stacheldraht hängend zu fühlen, erschließt sich die Diagnose einer sehr schmerzhaften Entzündung ja auch noch nicht direkt.

So weit, so amüsant – so lange Mann nicht selbst ein Exemplar dieser Spezies aufsuchen muss. Und hier zeigt sich die eigentliche Stärke von Martin Anibas: Gegen alle Unbilden beschreibt er überzeugend, warum der Arztberuf dennoch eine Erfüllung war und ein Besuch beim Arzt nicht in einer Art Geisterbahn enden muss. Allein sein Kapitel in Erinnerung an den Kollegen Hackethal, in dem er das Umdenken der Medizin in der Krebsbehandlung vom blinden Glauben an den Segen der Operation hin zum vorsichtigen Abwägen beschreibt, ist den Kauf des Buches wert. Und lässt einen den Glauben an jene umsichtigen Mediziner bewahren, die ihr Hand-Werk in Verbindung mit Patienten-Gespräch beherrschen und auch nach Jahrzehnten nicht verlieren.

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