Liebe Leserinnen!
Liebe Leser!

Unter Journalisten gibt es das Sprichwort: „Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern.“ Im Zeitalter von Internet, sozialen Netzwerken und elektronischer Nachrichtenübermittlung ist diese Feststellung aber fast schon ad absurdum geführt. Gedruckte Nachrichten sind mittlerweile oft nur das auf Papier fest gehaltene Plagiat dessen, was tags zuvor schon über alle möglichen Bildschirme via facebook und twitter gekreucht und gefleucht ist.

Dennoch will ich mich heute an dieser Stelle mit einer Nachricht befassen, die schon etwas mehr als eine Woche „auf dem Markt“ ist, aber an vielen Stammtischen, in Büros, beim Friseur oder in der Warteschlange an der Supermarktkasse wohl zu hitzigen Diskussionen geführt hat. Vielfach mit bestätigendem Kopfnicken: „Siehste, hab ich’s nicht immer gesagt.“ Es geht um das Ergebnis einer Studie, wonach das von uns allen immer wieder gebrandmarkte „Blitzen“, also die Radarkontrolle im Straßenverkehr, längst nicht der erwartete Sicherheitsfaktor ist, den man eigentlich erreichen wollte.

Radarfallen senkten das Unfallrisiko deshalb nicht, weil sie in der Regel die falsche Zielgruppe treffen, sagt der Hannoveraner Verkehrs-Psychologe Karl-Friedrich Voss. Dies liege daran, weil in der Regel recht sichere Fahrerinnen und Fahrer, aber kaum die Risiko-Gruppen, erwischt würden. Fahranfänger beispielsweise gerieten nur relativ selten in Geschwindigkeitskontrollen. Stattdessen treffe es in der Regel Menschen, die „mitten im Leben stehen.“ Sein „Arbeitsnachweis“: Die relativ sicheren Fahrer im Alter von 25 Jahren bis 44 Jahren wurden im Lauf des Untersuchungs-Zeitraums 52.600-mal pro Jahrgang geblitzt. Die 18- bis 22-Jährigen nur 24.667-mal pro Jahrgang. Sie seien jedoch fast viermal so oft an Raser-Unfällen beteiligt. Der Grund, weshalb die Jungen dennoch seltener geblitzt werden, liege laut Voss auf der Hand: Sie seien besonders häufig nachts und an Wochenenden unterwegs. Also dann, wenn weniger Einsätze stattfinden. Seiner Meinung nach würden die sogenannten „Disco-Springer“, die in dieser Zeit von Diskothek zu Diskothek fahren, zu selten kontrolliert. Um folgenschwere Unfälle zu vermeiden, sollten Blitzer seiner Ansicht nach vermehrt an Unfallschwerpunkten aufgestellt werden.

Wie immer beim Diskutieren über das Für und Wider dieser Vorgehensweise stellt sich auch beim Betrachten dieses Ergebnisses die Frage: „Prävention oder Beutelschneiderei? Abzocke oder Minderung des Unfallrisikos?“ Mitunter, so die Meinung einiger Verkehrspolitiker, seien schon warnende Hinweistafeln auf Blitzer ausreichend, um den gewünschten Effekt herbeizuführen. Nach dem Motto: „Wenn gar nicht erst gerast werden soll, helfen diese Schilder mehr als versteckte Blitzer. Diese könnten unter Umständen sogar Anlass zu erhöhtem Frustpotenzial und daraus resultierender unverminderter Raserei sein.Eine objektive Betrachtungsweise oder ein gültiges Urteil über das Ergebnis dieser Studie wird schwerlich möglich sein. Wie man aber mit dem Thema auch ganz und gar fahrlässig umgehen kann, zeigt das Beispiel einer großen deutschen Boulevard-Zeitung, die in den vergangenen Tagen über das Thema „Blitzen sinnvoll oder nicht?“ großflächig berichtet hat. Ins Auge fallend und „peppig“ aufgemacht springt dem Leser des Artikels der nächste Beitrag zu diesem Themenkomplex geradezu ins Auge: „So tricksen Sie die Blitzer aus“ – Solche „guten Ratschläge“ sind meiner Meinung nach noch fahrlässiger als verstecke Blitzer.

Ich wünsche Ihnen zwar kein dunkles, aber zumindest ein Blitz-freies Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

Scroll to Top