75 Jahre Diesel: Als der Selbstzünder laufen lernte

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Im Juli 2011 entschied sich in Deutschland fast jeder zweite Käufer eines Neuwagens für ein Modell mit Dieselmotor. Über 40 Prozent sind es fast immer, die den sparsamen, aber etwas rauen Motor wählen, dessen Funktionsprinzip Rudolf Diesel 1892 erfunden hat. Zwischen dem Selbstzünder, der in der Maschinenfabrik Augsburg damals die ersten Arbeitstakte erledigte und einem Pkw-Diesel von heute liegen allerdings Welten. Auch die ersten Dieselmotoren, die vor 75 Jahren im Mercedes 260 D das laufen in Serie lernten, haben mit den Hightech-Aggregaten, die heute unter dem Label Diesel laufen, nur mehr wenig gemein.

Schon ein Blick auf die Leistungsdaten verdeutlicht den technischen Fortschritt: Aus 2.545 Kubikzentimetern Hubraum erzeugte der Vierzylinder des damaligen Benz zarte 33 kW oder 45 PS. Heute kommen die meisten Zweiliter-Diesel dank Turboaufladung auf Werte um 200 PS, davon konnten damals selbst die Benziner nur träumen.

Was den Diesel damals wie heute für die Hersteller von Personenwagen interessant macht, ist sein guter Wirkungsgrad. Aus einem Liter Kraftstoff erzeugt der Diesel mehr Leistung als ein Ottomotor. Es wird weniger Energie als Wärme nutzlos abgeführt. Das liegt an der höheren Verdichtung des zündfähigen Kraftstoffs – aber auch an spezifischen Besonderheiten wie der fehlenden Drosselung. Vor allem im Teillastbereich, also den meisten Fahrzuständen zwischen Leerlauf und Vollgas, verbrennt der Diesel besonders sparsam, ein Vorteil, den sich über die Jahrzehnte vor allem Taxifahrer zu Nutze machten.

Die Vorteile der effizienteren Verbrennung erkauft sich der Diesel durch einen höheren Aufwand in der Konstruktion und in der Produktion, zudem läuft er im Vergleich zu Ottomotoren rauer und unkultivierter. Das dürfte aber beim ersten Diesel-Pkw keine Rolle gespielt haben. Seine Karriere endete bereits 1940 durch den 2. Weltkrieg. Erst 1949 wurde die Produktion wieder aufgenommen. Noch vor dem Krieg entwickelte die Firma Saurer den ersten Turbolader für Diesel und verhalf damit Lastwagenmotoren zu mehr Leistung. Schon in den Fünfziger Jahren kamen von Volvo und Mercedes die ersten Dieseltrucks mit Turbolader in Serie. Im Pkw blieben die Selbstzünder eine Randerscheinung, die in Taxis und wenigen privaten Pkw zum Einsatz kamen. Einzelne Landwirte nutzten die Fähigkeit des Dieselmotors, auch Öle minderer Qualität in Vortrieb zu verwandeln und betankten ihren privaten Benz mit dem gleichen steuerbegünstigten Kraftstoff wie ihre Traktoren.

Schwung in die Dieselentwicklung brachten Peugeot und Volkswagen. Die Franzosen bauten 1968 zum ersten Mal einen Diesel quer in einen Kleinwagen ein und animierten damit wohl auch VW, 1976 gleiches im Golf zu probieren. Mercedes verpflanzte ein Jahr später erstmals einen Diesel mit Turbolader in einen Pkw. Der 300 SD sollte mit seinem 125 PS-starken Fünfzylinder den Flottenverbrauch der Daimler-Modelle in den USA senken.

Weiterentwicklungen wie Ladeluftkühlung (erstmals von DAF bereits 1973 vorgestellt) verhalfen dem vormals als träge geltenden Diesel zu mehr Leistung. In den Achtziger und frühen neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts galten Fahrzeuge wie der Golf Turbodiesel mit damals 51 kW/70 PS als Renner auf der linken Spur, die mit Praxisverbräuchen von sieben Litern die Verbraucher erfreuten.

Den endgültigen Durchbruch schafften die Selbstzünder aber erst mit der Erfindung und der Durchsetzung der Direkteinspritzung in Verbindung mit einem Turbolader. 1988 war der Fiat Croma TD id der erste Pkw, der mit einem solchen Motor auf den Markt kam. Sein Motor leistete 90 PS. Zwei Jahre später brachte Audi mit dem 2.5 TDI den ersten Direkteinspritzer eines deutschen Herstellers auf den Markt. Der Fünfzylinder leistete 120 PS. Wenig später kamen 1,9-Liter TDIs mit 110 PS bei VW und Audi zum Einsatz. Geringe Verbrauchswerte kombiniert mit hohem Drehmoment machten die Diesel zum Herrscher der linken Spur, ein Effekt der sich mit Sechs- und später Achtzylindermotoren noch verstärkte.

Heute kommt dem Diesel die Rolle des CO2-Minimierers zu, wenngleich er bei den Abgasen einige hohe Hürden zu überwinden hat, ist er durch seinen Wirkungsgrad für viele noch immer der Sparmotor Nummer eins. Allerdings ist der Dieselmotor im Pkw bislang eher ein europäisches Thema.

Amerikanische Autofahrer lernen gerade erst, seine Vorzüge zu schätzen und auf den Wachstumsmärkten in Asien und Südamerika spielt er bestenfalls als Lkw-Antrieb eine Rolle. Dabei steckt im Prinzip der Selbstzündung von direkt eingespritztem und hochverdichtetem Kraftstoff noch eine Menge Potential. Nicht umsonst kombinieren Hersteller wie Peugeot den Diesel ab diesem Jahr mit einem Elektromotor zum Dieselhybriden und zeigen damit aus ihrer Sicht das Beste zweier Welten.

Schließlich ist der Dieselmotor auch 75 Jahre nach seinem ersten Einsatz im Pkw noch immer die effizienteste Verbrennungsmaschine. Davon zeugen nicht zuletzt aktuelle Limousinen der Businessklasse, die in ihren sparsamsten Versionen mit einem Dieselmotor weniger als 5 Liter im Schnitt benötigen. Auch eine Mercedes M-Klasse, die mit glatten 6 Litern, und damit rund 2 Liter weniger als bislang, die Normrunde auf dem Rollenprüfstand absolviert, verdeutlicht das Potential des Selbstzünders als Sparantrieb der Zukunft.

Aber der Diesel hat auch seine Nachteile. Zu den höheren Kosten der Herstellung des Motors kommen immer mehr Auflagen für die Abgasreinigung. Hybridpionier Toyota rechnet vor, das heute ein modernes Dieselaggregat samt Abgassystem genauso teuer ist wie der Antriebstrang eines Benzinhybriden inklusive Batterie. Partikelfilter, NOx-Katalysatoren. Tatsächlich kostet die Chemiefabrik zwischen Motor und Auspuff, die nötig ist um die Euro6-Hürden der Abgasgesetzgebung zu meistern, wahrscheinlich ähnlich viel wie der eigentliche Motor.

Das schränkt zumindest seine Verwendung in kostenkritischen Marktsegmenten wie dem Kleinwagenbereich in Zukunft ein. Schon heute wird der Dieselmarktanteil von über 40 Prozent überwiegend durch Mittelklasse, Oberklasse und den immer beliebteren SUV getragen. Dort hat er den Benziner, zumindest auf dem deutschen Markt, fast verdrängt.

Über den Erfolg des Diesels entscheidet aber nicht nur die Autoindustrie durch ihre technischen Entwicklungen, sondern vor allem Mineralölindustrie und Politik. In Deutschland wird Dieselkraftstoff gegenüber Benzin subventioniert. Je Liter Benzin fallen in Deutschland 65,96 Cent Mineralölsteuer pro Liter Benzin und 47,43 Cent je Liter Diesel an. Tatsächlich ist Diesel an den Tankstellen mal fast gleichteuer wie Superbenzin, mal zehn bis 15 Cent günstiger.

Das hängt unter anderem mit der schwankenden Nachfrage nach Diesel auf dem Weltmarkt zusammen, aber auch mit den Produktionskapazitäten der Raffinerien, die technisch nur einen Teil des angelieferten Rohöls in Diesel umarbeiten können.

In Ländern, die Dieselkraftstoff nicht subventionieren, ist der Dieselanteil der Pkw deutlich geringer als in Deutschland. Der Spritpreis liegt dort fast immer auf gleicher Höhe, manchmal ist Diesel sogar teurer als Benzin, was streng genommen sogar gerechtfertigt ist, schließlich ist der Energiegehalt von Diesel etwa 7 Prozent höher als der von Benzin.

Text: Spot Press Services/Günter Weigel
Fotos: Hersteller, SPS

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