Einen Spitznamen sucht man sich nicht aus, der wird vergeben. Oft aus Spott und Häme, manchmal aber auch zur Verniedlichung oder aus Zuneigung. Ungewöhnliche und charakterstarke Typen erhalten dann ebenso ungewöhnliche Namen. Das gilt auch für Autos. Ein Käfer ist ein Käfer und kein 1200er oder 1300er. Auch der jetzt in der zweiten Generation neu vorgestellte New Beetle hört auf diesen Namen, wenn auch nur in der englischen Übersetzung.
Die Mutter aller Autospitznamen ist aber der Tin Lizzy, der eigentlich ja Ford T hieß. Die Blechliesel, so die deutsche Übersetzung, sah für viele Zeitgenossen eben wie eine einfache Blechdose aus. Dennoch konnte der Name dem Erfolg des Autos nichts anhaben: Zwischen 1908 und 1927 wurden in den USA 15 Millionen Exemplare gebaut. Auch andere Ford-Fahrzeuge sorgten für Spott: Es gab den „Knudsen-Taunus“ (1970-1976), der die eigenwillige Fronthaube von Ford-Chef Semon E. „Bunkie“ Knudsen verpasst kam, die „Badewanne“ (1960-1964), den „Buckeltaunus“ (1939-1952), der durch seinen buckelige Heckpartie auffiel und die „Weltkugel“, ein Taunus (1952-1955), der in der Kühlermaske eine solche integriert hatte. Und der erste Escort (1968–1974) hatte durch seinen eigenartig geformten Kühlergrill schnell den Namen „Hundeknochen“ weg.
Ebenfalls auf die Form der Front ist der Beiname des Alfa Romeo GT als „Kantenhauber“ (1963-1970) zurückzuführen. Das nachfolgende Coupé musste darauf zwar verzichten, hört dafür aber heute noch auf „Bertone“, nach seinem Designer. Beim Austin-Healey Sprite Mk I wird gerne ein Vergleich ins Tierreich gezogen. Der kleine Healey mit seinen glubschäugigen Scheinwerfern ist das „Froschauge“.
Auf einem ganz anderen Niveau schwebte der Citroën DS 20/21, besser bekannt als „Göttin“ über die Straßen. DS wird im französischen „Déesse“ ausgesprochen, was eben „Göttin“ bedeutet. Die Marke sammelte im Laufe der Jahre aber noch mehr solcher schönen oder weniger schönen Zusätze. Der Citroën Traction Avant (1934-1957) wurde dank seines Frontantriebs und der tollen Straßenlage von Dieben gerne als Fluchtauto eingesetzt, den Namen „Gangsterlimousine“ hatte er damit schnell weg. Einprägsam ist auch der Name „Ente“ für den 2CV, den ein Journalist bei der Vorstellung als hässliches Entlein bezeichnete. Das „hässlich“ fiel im Laufe der Jahre aber weg und die Ente wurde niedlicher.
Genau wie die „Knutschkugel“, die BMW Isetta (1955-1962), bei der im Innenraum eine solche Enge herrschte, dass man unweigerlich seine Lippen auf denen des Beifahrers wiederzufinden glaubte. Mit dem „Barockengel“ 501/502 baute BMW aber auch große Autos. Das voluminöse Auto mit den ausladenden Formen wurde zwischen 1952 und 1964 produziert.
Privatdetektiv Thomas Sullivan Magnum IV alias Tom Selleck war Namensgeber für den Ferrari 308 GTS (1975-1985). Der „Magnum Ferrari“ war zwar nicht sein eigener, sondern der von seinem unbekannten Chef Robin Masters, dennoch fuhr er ihn in jeder Folge in die Herzen der meist männlichen Zuschauer. In die Kategorie „süß“ fällt dagegen der Fiat 126 „Bambino“ (1972-2000), der so niedlich war, dass er als „kleines Kind“ bezeichnet wurde. Ebenfalls eine Verniedlichung musste sich einer der ersten Sportwagen von Opel gefallen lassen. Der GT hört noch heute auf „Baby-Corvette“, da er sich stark an sein amerikanisches Pendant, den Chevrolet Corvette mit dem sogenannten „Coke-Bottle-Design“ anlehnt.
Der Mercedes-Benz 300 (1951-1962) war dagegen staatstragend. Bundeskanzler Konrad Adenauer vertraute auf diesen Typ, so dass dieser heute noch auf den Namen „Adenauer“ hört. Aber auch andere Mercedes-Modelle erhielten Zusatzbezeichnungen: Der 180 (W105/W128) wegen der ersten selbsttragenden Karosse (Pontonbauweise) hört auf den Namen „Ponton“ (1954-1960), der W111 (1959-1968) ist eher als „Heckflosse“ bekannt, der SL der Baureihe W113 (1963-1971) wegen seiner Dachform als „Pagode“ und die Brot- und Butterfahrzeuge W114/W115 (1967-1976) als Strichacht (/8), was eigentlich eine interne Bezeichnung ist. Mit Einführung des 190er (1982-1993) als damalige Abrundung des Portfolios nach unten kam schnell der Begriff „Baby-Benz“ auf.
Nicht viel besser hatte es der Trabant (1957-1991), bekannt als die „Rennpappe“. Seine Außenhaut bestand aus baumwollverstärktem Phenoplast, im Volksmund eben Pappe genannt. Bei Volvo hieß der P1800 wegen seines großen Heckfensters „Schneewittchensarg“, der PV444/544 (1947-1958) hörte dank seines breiten Hecks auf den Namen „Buckelvolvo“.
VW hatte nicht nur den Käfer, sondern auch legendäre Fahrzeuge wie den VW 181 „Kübel“ (1969-1980), ein Bundeswehr-Arbeitstier und Vor-Vor-Läufer heutiger SUV, den „Bulli“ T1 genannten Bus (1950 bis heute) und den Kleintransporter VW 147 „Fridolin“ (1964-1974), der unter diesem Namen intern für die Post als Auslieferungsfahrzeug bei Westfalia entwickelt und gebaut wurde. Ebenfalls charmant getroffen war die Bezeichnung „Erdbeerkörbchen“ für das Golf Cabrio (1979-1993) und dessen Überrollbügel.
Bei aktuellen Autos findet man heute nur noch selten Spitznamen. Das mag an der Vielzahl der Modelle liegen, an deren Verwechselbarkeit oder im schlimmsten Falle Charakterlosigkeit. Schade ist es allemal.
Text: SPS/Fabian Hoberg
Fotos: Hersteller