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Alva Gehrmann: Alles ganz Isi. Deutscher Taschenbuch Verlag (dtv); 14,90 Euro.

Wer nicht liest, ist blind, sagt ein isländisches Sprichwort. Das passt zum diesjährigen Gastland auf der Frankfurter Buchmesse? Aber was wissen wir Nicht-Isländer denn schon über dieses Gastland? Seien wir ehrlich – nicht viel. Da kommt das Buch von Alva Gehrmann gerade zur rechten Zeit.

In Island, das erfahren wir gleich zu Beginn, gehen die Uhren anders als z. B. in Deutschland. Langfristige Planung, etwa von Interviewterminen, ist nicht Sache der Isländer, sie machen das lieber spontan von Tag zu Tag – und, so Alva Gehrmanns verblüffendes Fazit, es funktioniert. Wir planen nicht gerne. Wir wollen, dass die Zukunft spannend bleibt, sagt dazu der Schriftsteller Hallgrimur Helgason (* 1959). Für die Verschrobenheit bietet der Dichter Sjon (* 1962) eine einfache Erklärung, die in der Geschichte Islands begründet ist.

Mit der viel zitierten Verschrobenheit korrespondiert auf sympathische Weise ein Kunstinteresse, das die Bevölkerung zu durchziehen scheint. Präsentationen, Sagen, Liedtexte prägen Island – und es ist wohl sehr üblich, dass, wer sich künstlerisch betätigt, parallel einen ganz unspektakulären Brotberuf ausübt. So erklärt sich, dass Alva Gehrmann mit zahlreichen Isländern über den dortigen Alltag gesprochen hat, die beides ganz selbstverständlich miteinander verbinden.

Unspektakulärer Alltag vs. spektakuläre Kunstbegeisterung, das zieht sich durch das ganze Buch von Alva Gehrmann. Für den ausgeprägten Hang zum Feiern, der ebenfalls zur Sprache kommt, lässt sich eine ganz einfache Erklärung finden. Der Bierausschank in Gaststätten wurde erst 1989 (!) erlaubt, vorher gab es – kaum zu glauben! – dort nur die harten Alkoholika.

Zu der Veränderung mag beigetragen haben, dass es zunehmend viele Isländer sonst wohin zieht – in die USA, nach Großbritannien, nach Deutschland, und hier zeichnet sie ein hohes Maß an Offenheit für alles aus, was man nicht kennt. Dennoch sei zum Schluss auf eine Tradition hingewiesen, die Kulinarisches betrifft, sehr seltsam anmutet – aber in ähnlicher Form z. B. auch in Schweden verbreitet ist: Der Sürströming (speziell fermentierter Hering) dürfte ähnlich gewöhnungsbedürftig sein wie der Hakarl.

Fazit: Alva Gehrmann zeichnet ein liebenswürdiges, von starken Sympathien geprägtes Bild des Landes, das sie als zeitweilige Wahlheimat adoptiert hat. Macht auf jeden Fall Lust auf einen Besuch. Und wer nicht gleich nach Reykjavik fahren will, schafft es vielleicht nach Frankfurt, wo zur diesjährigen Buchmesse sicherlich ein Eindruck von Island zu gewinnen sein wird.

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