Škoda-Roadster mit bewegter Vergangenheit

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Ein Škoda in den Vereinigten Staaten von Amerika? Der war zu bestimmten Zeiten der Geschichte im Land der mehr oder weniger unbegrenzten Möglichkeiten kein allzu gern gesehener Gast. Wahrscheinlich hätte man ihm die Zufahrt verweigert, kam er doch aus einem zumindest zeitweise kommunistisch regierten Land. In der Hall of Fame, dem Museum des Indianapolis Motorspeedway, hat er seine vorerst letzte Ruhestätte gefunden. Bill Spoerle, Chef des Museums, hütet das exotische Vehikel, das zwischen all den Studebakers, Packards, Stutz und Duesenbergs wie ein Schwank aus der Automobil-Geschichte anmutet, wie seinen Augapfel.

Nachtblau schimmert der Lack des historischen Boliden. Aus dem Jahr 1908 dürfte er stammen und in feinem Messing leuchten die Buchstaben L&K auf der Motorhaube. Der Roadster ist in jenen Tagen entstanden, als die Marke Škoda noch Laurent und Klement hieß, benannt nach den Gründern der einstigen Fahrradmanufaktur. Dem Rennsport haben sich die beiden Unternehmer im tschechischen Mladá Boleslav schon von Beginn an gewidmet.

Der Wagen ist ein Unikat. Vermutlich auf Basis eines L&K Typ S-2 wurde er vom kuk-Baron Leo Haan zu einer aerodynamischen Besonderheit umgebaut. Der adlige Amateurrennfahrer ließ die Motorhaube vorne abschrägen, der Kühler wanderte, ringförmig um die Karosserie gelegt, hinter den Motor. Der Viertakter hat zwei Zylinder und leistet 12 PS bei 1.500 Umdrehungen. Damit er Sprit bekam, musste der Beifahrer mit einer Pumpe im Format einer Klistierspitze den Treibstoff aus dem Tank im Heck zu den Vergasern nach vorne fördern.

Die besondere Leistung des Barons aber war die Heckflosse. Glaubt man einem Bericht der in Wien erscheinenden Allgemeinen Automobil-Zeitung vom 26. Mai 1912, so entsprach Haan der Erkenntnis des Renn-Direktor Willy Pöge, der den Teilnehmern beschied, das Semmeringrennen werde in den Kurven gewonnen. Der Baron hatte eine Vorrichtung ersonnen, die „das Schleudern des Wagens in Kurven vermindern sollte“. Es sah aus wie das Seitenleitwerk eines Flugzeugs. Gekoppelt mit dem Lenkrad drehte sich diese Heckflosse in den Kurven und „leitete“ den L&K-Rennwagen aerodynamisch unterstützt um die Biegungen. Zudem deckte der Motorsportler die Holzspeichen der Räder mit einer sanft gewölbten Scheibe ab, das sollte die Verwirbelungen bei schneller Fahrt reduzieren.

Was an Motorleistung fehlte, wollte der Baron mit Leichtbau kompensieren. Statt der üblichen, weit ausladenden vorderen Kotflügel aus Blech wählte er schwarz gewachstes, leichtes Segeltuch. Damit glich er das Gewicht der Luftlenkung mehr als aus, immerhin wiegen das Gestänge und das Steuersegel zusammen gut 14 Kilogramm.

Den Weg nach Amerika hat der L&K-Renner über nicht minder skurrile Wege angetreten. Ein Wiener Geschäftsmann mit dem Namen Henry Goldhamm hat ihn wohl aus dem Nachlass des Barons erstanden und ihn 1964 dem damaligen Besitzer der Indianapolis-Rennstrecke Tony Hulman angeboten. Die McCarthy-Ära war vorüber und Hulman, der den Speedway nach dem Zweiten Weltkrieg aus argen finanziellen Nöten rettete, musste keine peinlichen Befragungen über die Herkunft des tschechischen Vehikels über sich ergehen lassen. In jenen Tagen machte er außerdem Wilhelm Spörle, einen aus Jagstfeld stammenden Mechaniker, der bei NSU in Neckarsulm gearbeitet hatte, zum Leiter des Museums. Der heißt heute Bill Spoerle und restauriert in fast liebevoller Zuneigung noch heute, im Alter von 75 Jahren, mit zwei Mitarbeitern historische Automobile, die sich ihren Platz in der Hall of Fame, der Halle des Ruhmes neben der Rennstrecke, verdient haben.

Dem Škoda-Vorgänger, dem L&K S-2, wird möglicherweise bald eine Generalüberholung zuteil. Der Rentner mit dem Luftsteuer soll noch einmal den Weg in die alte Heimat antreten, in der technischen Abteilung des Škoda Museums in Mladá Boleslav kann er auf Vordermann gebracht werden. Und dabei fühlen sich alle als Gewinner. Die berühmte Rennstrecke in Indianapolis feiert in diesen Tagen ihren hundersten Geburtstag und kann sich über das Geschenk eines wieder fahrtüchtigen historischen Rennwagens freuen. Und Škoda erinnert immer wieder gerne an die lange Automobil-Historie der Marke. Gerade hat man das 110-jährige Motorsport-Jubiläen gefeiert, einer der Nachkommen des S-2, das Wettbewerbsfahrzeug Fabia Super 2000, gewann die IRC Rallyemeisterschaft in der Hersteller- und der Fahrerwertung. Da käme ein glanzvoller Rückblick auf frühe Spezialitäten aus Mladá Boleslav gerade recht.

Text und Fotos: Spot Press Services/Martin Andörfer Martin Andörfer/SPX

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