Erste Erfahrungen: Fisker Karma

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Henrik Fisker und Bernhard Koehler sind nervös. Eigentlich möchten sie ihre ganze Aufmerksamkeit der Premiere ihrer viertürigen Elektro-Limousine mit Range Extender widmen. Doch immer wieder werden sie zu Telefonkonferenzen abberufen: Es geht um Geld und die Logistik, um ihre noch junge Firma nach vorn zu bringen. In der Zwischenzeit können Journalisten die jüngsten Prototypen bewegen, die frisch aus dem Valmet-Werk im finnischen Uusikaupunki eingeflogen wurden.

Der Karma ist eine zwischen 85.500 und 98.900 Euro teure Antwort – doch gibt es genügend Kunden, die gefragt haben? Jedenfalls sieht das Auto gut aus, wenn auch ungewöhnlich. Henrik Fisker hat zuvor verschiedene Aston-Martin-Modelle und den BMW Z8 gezeichnet; 2005 hatten er und Koehler das Advanced Design Studio von Ford verlassen und ihre eigene Firma gegründet, die sich zunächst der Umkarossierung des Mercedes SL (Fisker Tramonto) und des BMW 6er (Fisker Latigo) widmete. Kurz darauf lernte Fisker die Firma Quantum kennen, die unter der Bezeichnung Aggressor ein Hochleistungs-Hybridfahrzeug für das Militär entwickelt hatte, das schließlich eingestellt wurde. 2007 einigte man sich auf eine Zusammenarbeit, schon im Januar 2008 stand der Karma-Prototyp auf der Automesse in Detroit.

Die Resonanz auf das Design war positiv, doch erst das Thema Umweltschutz gab den entscheidenden Schub. Eine Anschubfinanzierung durch die US-Regierung lockte private Investoren an, und schließlich konnte die Firma auf fast eine Milliarde Dollar an Ressourcen zurückgreifen. Für die Entwicklung band Fisker in ungewöhnlichem Umfang die Zulieferindustrie ein; gebaut wird der Karma bei Valmet in Finnland, wo man auch für Porsche tätig ist.

Das Design des Karma mit seinem extrem langen Radstand von 3,16 Metern wurde im Vergleich zum ersten Prototypen kaum noch geändert, lediglich die Front tritt jetzt etwas bescheidener und eleganter auf. Die Türgriffe wirken allerdings billig. Auffällig sind die riesigen 22-Zoll-Felgen; selbst die Winterreifen sind auf 21-Zoll-Felgen aufgezogen. Warum so groß? Weil sonst, so Fisker, die Lenkung zu nahe an der Fahrbahn liegt. Aha.

Im Interieur drücken wir den Startknopf. Es ist nichts zu hören, aber die Instrumentierung erwacht zum Leben. Sie ist ein ebensolcher Hingucker wie der perfekt programmierte, intuitiv zu bedienende 10,2-Zoll-Bildschirm, der Diagnosesystem, Klimaanlage, Audio-Anlage und Navigationssystem kombiniert.

Der Standard-Modus heißt Stealth – offenbar kann sich Fisker gedanklich von dem Militärprojekt noch nicht trennen. Damit kommt der Karma rein elektrisch rund 80 Kilometer weit – mit bis zu 153 km/h. Der Spurt von 0 auf 100 km/h dauert in diesem Modus 7,9 Sekunden. Bis zu 50 km/h wird übrigens ein eigens entwickelter Sound emittiert, der aus der Neuauflage des Kultfilms Tron übernommen wurde – ein futuristischer Klang, der gut zum Karma passt.

Der Fisker Karma ist als Plug-In-Hybrid schon an sich interessant, weil er – wie der Chevrolet Volt – eine Range-Extender-Maschine zur Vergrößerung der Reichweite an Bord hat. Im Gegensatz zum Volt treibt der Verbrenner das Auto jedoch nie direkt an. Auch nicht im Sport-Modus. Dann liefert der 260-PS-Turbo-Direkteinspritzer aus dem GM-Regal seine Leistung an das 275 Kilogramm schwere 315-Zellen-Batteriepack. Damit wiederum werden die zwei 204-PS-Elektromotoren angetrieben, die vor und hinter dem hinteren Differential angeordnet sind. Es gibt nur einen Vorwärtsgang; der Spurt von 0 auf 100 km/h dauert im Sport-Modus 5,9 Sekunden, bei 201 km/h ist Schluss. Die maximale Reichweite liegt bei 483 Kilometern – obwohl der Tank nur 36 Liter Benzin fasst. Bei Zwischenstopps können die Batterien nachgeladen werden, und Henrik Fisker rechnet damit, dass der Stealth-Modus in über 80 Prozent der Fälle eingeschaltet bleibt. Das ist auch ein akustischer Segen, denn der mit bis zu 6.300 U/min drehende Vierzylinder-Range Extender klingt im Sport-Modus für ein derart teures Auto mehr als unpassend.

Dafür ist das Fahrverhalten weitaus besser als erwartet – nach unserem Dafürhalten sogar besser als bei jeder anderen Premium-Limousine, wozu auch die Gewichtsverteilung von 47/53 vorn/hinten beiträgt. Das Double-Wishbone-Chassis ist aus Aluminium gefertigt; vorn sind 255er-Reifen und hinten 285er-Reifen der Serie 35 aufgezogen, und die Bremsanlage kommt von Brembo. Das gutmütige Fahrwerk erlaubt sogar leichte Drifts; lediglich die Lenkung könnte noch etwas kommunikativer sein.

Am besten hat uns das Interieur der mittleren EcoSport-Version (93.500 Euro) gefallen, die sich von der EcoStandard-Variante (85.500 Euro) vor allem durch ihr opulentes, schottisches Leder absetzt. Die Spitzenversion EcoChic (98.900 Euro) ist wiederum mit hochwertigen Kunstledern ausgeschlagen. Die verwendeten Dekorleisten sind aus bereits gefallenen oder in Wasser versunkenen Holzstämmen gefertigt.

Für die große Reise mit mehr als zwei Personen taugt der Viertürer übrigens nicht: Der Gepäckraum ist nur 200 Liter groß. Wer seine S-Klasse oder seinen Panamera durch den Karma ersetzen will, sollte sich das gut überlegen. Andererseits ist der Fisker ein wahres Traumauto für Individualisten. Die ersten Modelle werden im Mai ausgeliefert, ab Oktober sollen 1.500 Autos pro Monat entstehen. 2012 sollen 15.000 Karma die finnischen Werkshallen verlassen. Dann wird es auch ein zweitüriges Cabrio geben – und ein weiteres Modell, das auf der Frankfurter IAA enthüllt werden soll.

Text: Spot Press Services/Matt Davis
Fotos: Fisker, SPS

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