Jaguar: 50 Jahre E-Type – „Jahrgangstreffen“ am Genfer See

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Zwei Fünfzigjährige unter sich und einer davon hat sich eindeutig besser gehalten. Beim Treffen des Jahrgangs 1961 zwischen dem Jaguar E-Type und mir, sieht die Stil-Ikone von der Insel doch deutlich frischer und jünger aus.Nicht, dass sich mich nicht ganz manierlich gehalten hätte – schließlich fühlen sich Fünfzigjährige heute bestenfalls wie Anfang vierzig und da mache ich sicher keine Ausnahme. Aber mein Gegenüber ist schließlich eine Stil-Ikone, obwohl er tatsächlich sogar ein knappes halbes Jahr älter ist als ich. Es könnte an der Pflege liegen. Während ich mich täglich mit den mehr oder weniger großen Beschwernissen des Broterwerbs auseinandersetzen muss, darf er gemütlich ruhen, wird geschont und gepflegt. Anders, das muss er zugeben, würde er diesen glänzenden Look nicht ausstrahlen.

Reden wir nicht drum herum: Als Mann mit 50 hat man optisch gegen einen gleichalten Sportwagen keine Chance. Schon gar nicht, wenn es sich dabei um einen der Sportwagen überhaupt handelt. Unser Jahrgangstreffen findet am Genfer See statt und dort war vor 50 Jahren die Geburtsstunde des Jaguar E-Type. Traditionsbewusst wie sie sind – und daran ändern auch die neuerdings indischen Eigner nichts – haben die Briten zu einer kleinen Geburtstagsparty für den E-Type geladen und dafür das gleiche Hotel ausgewählt, in dem damals schon die Premierenparty des neuen Superstars stattfand.

Das Hotel du Parc des Eaux de Vie liegt malerisch am rechten Seeufer mit Blick auf das Wasser und den Hauptteil von Genf. Der Park wurde schon im 16.Jahrhundert angelegt, das kleine Schlösschen kam 1714 dazu. Fast genau zwei Jahrhunderte später, genauer 1913, übernahm die Stadt Genf das Anwesen mit dem zugehörigen Restaurant und dem Hotel. Als Jaguar 1961 ein passendes Domizil für die offizielle Vorstellung des neuen Sportwagenstars suchte, waren Restaurant und Hotel auf der Höhe ihrer Zeit und zählten zu den Juwelen der Genfer Gastronomie. Heute liegt die Zufahrt am Seeufer an der viel befahrenen vierspurigen Uferstraße. Man biegt an einem kleinen Platz ab und fährt über ein gewundenes kleines Privatsträßchen zur Herberge, die rein äußerlich noch immer den Charme von damals ausstrahlt: erst recht, wenn 22 Jaguar E Type Cabrios und Coupés vor dem Eingang parken.

Der Anblick lässt einen an die Existenz einer Zeitmaschine glauben. So oder zumindest ziemlich ähnlich muss es auch vor 50 Jahren ausgesehen haben, nur das damals weitaus weniger E-Type zugegen waren. Im Grunde gab es nur die Ausstellungsfahrzeuge für den Genfer Salon zur Ansicht für die damaligen Medienvertreter. Weil aber diese nach einer Demonstrationsfahrt verlangten, beorderte Jaguar-Chef Sir William Lyons seinen Testfahrer Norman Dewis mit einem weiteren Modell an den Genfer See. Dewis überführte den Sportwagen in einer sehr schnellen Nachtetappe von Coventry nach Genf. Mit diesem Exemplar wurden dann die Journalisten in den Hügeln um den Park herumgefahren.

Für den Testfahrer war der E-Type gewissermaßen auch der Ersatz für einen Platz im Cockpit eines Rennautos. Obwohl nicht minder talentiert als Stirling Moss, durfte er auf Geheiß von Lyons nicht Rennen fahren, weil er für die Entwicklung der Fahrzeuge zu wichtig war. Heute lacht er darüber, wenn er neben dem alten Jaguar steht. Der kompakte 90-jährige hat sich gut gehalten. Er ist auch geistig fit und erzählt gerne die eine oder andere Anekdote aus jener Zeit. Ein bisschen komfortabler mag er es heute aber schon. Zum Geburtstag seines Schützlings ist er mit dem Flugzeug angereist.

Natürlich glänzen die E-Types vor dem Hotel nicht nur bemerkenswert schön in der Schweizer Frühlingssonne, sie stehen auch für Probefahrten bereit. Logisch, dass die Original-Demonstrationsroute von Dewis mein Ziel ist. Und es muss ein rotes Coupé sein, mit dem ich die historischen Wege absolvieren möchte. Rot deshalb, weil es für den E-Type die schönste Farbe ist und weil Jerry Cotton, der Mann, der mir in meiner Jugend dieses Auto näherbrachte, solch ein rotes Coupé fuhr. Damals hatte ich noch keine Ahnung vom 3,8-Liter-Reihensechszylinder, der seine 195 kW/265 PS über ein durchaus störrisches Vierganggetriebe an die Hinterachse weitergab; wusste nichts von den Feinheiten der Bremse, die gerne heiß wurde und die mangelnde Vollgasfestigkeit des langhubigen Aggregats war mir auch fremd. Klar war damals nur, dass es ein exquisites und vor allem ein sehr schnelles Auto war, schließlich diente es dem Top-Mann des FBI als Dienstwagen.

Mit diesem tief eingeprägten Wissen steige ich nun, 50 Jahre nach dem ersten Auftritt des Spotwagens und wohl rund vier Jahrzehnte, nachdem ich mich erstmals mit dem Thema beschäftigt habe, links in ein rotes Coupé ein und lasse mir von Dave, einem netten Menschen aus dem Jaguar-Museum, den E-Type erklären. Links ist reichlich Platz im sonst engen Cockpit, weil das Steuer, wie es sich für ein englisches Auto gehört, auf der rechten Seite liegt.

Schon nach wenigen Minuten wird klar: Cottons Einsatzfahrzeug ist, sagen mir mal, diffizil. Der Motor hält es nicht für angebracht zu starten, nur weil ein Knopf gedrückt wird. Es war ihm wohl zu warm geworden, bei den bisherigen Testfahrten, die fast ausschließlich im zweiten und dritten Gang absolviert wurden. Nach wenigen Minuten springt der Sechszylinder aber an und verfällt in einen schönen geschmeidigen und sonor klingenden Lauf. Dave fährt das Auto aus dem Park und zeigt mir ein paar kleine Kniffe.

Der erste Gang liegt direkt neben dem Rückwärtsgang, was nicht weiter schlimm ist. Er ist aber nicht synchronisiert, was schon eher stört. Weniger, weil man nur im Stand in den ersten Gang schalten kann, eher schon, weil das Heulen des Getriebes beim Beschleunigen den Motor locker übertönt. Ab Stufe zwei ist der quälende Ton aber verschwunden. Nach wenigen Hundert Metern wechseln wir und ich nehme hinter dem Steuer Platz, wobei Platz nicht genau das richtige Wort ist für die Sitzposition, die diese Konstruktion mir aufnötigt. Während im Beifahrerfußraum reichlich Platz für lange Beine ist, haben die Techniker auf der Fahrerseite die Pedale recht nahe am Sitz angebracht. Damals war man wohl einfach kleiner. Norman Dewis dürfte kaum 1,60 Meter messen, während ich es auf 192 Zentimeter bringe. Immerhin kann ich Kupplung, Gas und Bremse bedienen, ohne ständig mit dem Knie ans Lenkrad zu stoßen.

Wie man mit diesem Auto damals richtig schnell fahren konnte, ist mir ein Rätsel. Mit 241 km/h Spitze war der Jaguar das schnellste Serienauto der Welt. Das würde ich heute nur ungern ausprobieren. Auf dem alten Testkurs von 1961, der damals über kleine Landstraßen führte, heute aber größtenteils mitten im Wohngebiet liegt, ist ein solches Tempo sowieso unmöglich, zumal man in der strengen Schweiz des Jahres 2011 für eine derartige Missachtung der Straßenverkehrsordnung sicherlich hinter Gitter käme.

Immerhin kann ich zwischenzeitlich in den vierten Gang schalten und die Elastizität des 3,8-Liters genießen. Diese ist eine Domäne des Jaguar. Schon bei Stadtverkehrstempo kann man im großen Gang cruisen. Gasgeben quittiert das Coupé mit flotter Beschleunigung, wobei man natürlich nicht die Maßstäbe heutiger Modelle anlegen darf. Für einen Sportwagen ist der E-Type sehr komfortabel abgestimmt, ein Zugeständnis an damalige Straßen und den Stand der Technik des Jahres 1961. Der entspricht auch die eher spartanische Ausstattung. Lüftung – dafür öffnet man ein Fenster, Radio – wozu? An dieser Stelle ist der E-Type seinem direkten Vorgänger, dem D-Type und damit einem echten Rennwagen nicht unähnlich.Meine kleine Testfahrt auf Dewis Pfaden endet viel zu schnell. Anderseits ist es für diese Ikone der Sportwagenwelt, die neben sich höchstens noch einen Porsche 911 und den Mercedes 300 SL Flügeltürer dulden muss, eine Quälerei, in Genf und Umgebung bewegt zu werden. An dieser Stelle geht es des Jaguar E-Type wie mir und so finden wir zwei aus dem gleichen Jahrgang zu guter Letzt doch noch zu einer weiteren Gemeinsamkeit.

Text: Spot Press Services/Günter Weigel
Fotos: Jaguar, SPS

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