Liebe Leserinnen!
Liebe Leser!
Eigentlich liegt die Jahreszeit von Ehrungen, Preisverleihungen und ähnlichen Tiraden des öffentlichen Schulterklopfens gerade erst hinter uns. Meist am Jahresende wird nämlich bilanziert, gelobt, geehrt und so mancher Pokal verliehen. Werden etliche Nadeln in Gold, Silber oder Bronze ans Revers verdienter Mitmenschen geheftet. Desto mehr wunderte ich mich in dieser Woche, dass mit Beginn des Monats Februar 2011 ein Automobil-Manager den Titel „Man of the decade“, also frei übersetzt „Mann des Jahrzehnts“, verliehen bekam.
Nun kennt unsereins die diversen Entscheidungsträger in den Vorstandsetagen von etlichen Terminen selbst oder zumindest durch Zitate aus offiziellen Presse-Verlautbarungen. Umso mehr war ich erstaunt bei der Namensnennung des dermaßen Geehrten. Weshalb ich die Frage gleich an Sie weiter gebe, liebe Leserinnen und Leser. Kennen Sie Wolfgang Huhn? Dr. Wolfgang Huhn genauer gesagt. Aha, Sie kennen ihn also auch nicht. Aber was Besonderes muss er doch schon sein, darstellen oder geleistet haben in der Automobilbranche, dass er zum „Mann des Jahrzehnts“ gekürt wird.
Der 51-Jährige, so war der Pressemitteilung zu entnehmen, ist Leiter der Abteilung „Licht und Sicht“ bei Audi. Geehrt wurde er, so hieß es, offiziell „für sein Engagement, die Bedeutung von Lichttechnik für Sicherheit und Design aufzuzeigen. Huhn ist seit 2001 in der technischen Entwicklung als Leiter Licht und Sicht tätig. In sein Ressort fallen unter anderem die für die Marke typischen LED-Tagfahrlichter und die Voll-LED-Scheinwerfer-Technologie, bei der Audi die Pionierrolle innerhalb der Fahrzeugindustrie einnimmt.“
Nicht, dass ich Dr. Wolfgang Huhn seine Auszeichnung nicht gönnen würde, oder die Preisverleihung gar kritisieren oder anfechten möchte. Dennoch frage ich mich, welche Kriterien der „Man of the decade“ eigentlich erfüllen muss, um als solcher gewählt und anerkannt zu werden.
Da gibt es beispielsweise die monatliche Auszeichnung zum „Hero of the Highway.“ (Wieder so ein Anglizismus!). Also, diese „Helden der Straße“, die sich meist vorbildlich als Retter in gefährlichen Situationen hervor getan haben, wären meiner Meinung nach zumindest genau so prädestiniert für die Auszeichnung zum „Mann des Jahrzehnts“ wie der Leiter „Licht und Sicht“ eines deutschen Unternehmens. Ohne diesen diskreditieren oder seine Verdienste – auch um die Verkehrssicherheit – im Geringsten schmälern zu wollen.
Vielleicht, so denke ich mir, sollten wir einfach etwas sorgfältiger und durchdachter umgehen bei der mitunter sintflutartigen Verleihung unserer vielfältigen Preise und Auszeichnungen. Oder zumindest bei der Formulierung des Titels. „Mann des Jahrzehnts“: Das liest sich ziemlich großspurig und ist vielleicht auch für den dergestalt Geehrten ein ziemlicher Rucksack, den er sich eigentlich gar nicht gerne aufbürden will.
Vielleicht läuft Ihnen, liebe Leserinnen oder Leser, oder auch mir ja am Wochenende so ein unfreiwilliger „Held der Landstraße“ über den Weg. Einer, der nicht lange überlegt, ob er helfen kann oder soll, oder ob er vielleicht selbst Hab und Gut riskiert.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein angenehmes Wochenende – ein ganz normales. Ohne Heldentum!
Ihr Jürgen C. Braun