Mullin Automotive Museum: Mit Faible für flotte Franzosen

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Sein erstes Auto war ein Chevrolet Bel Air Cabriolet, und an der Universität fuhr er nur amerikanische und deutsche Sportwagen. Doch seit Peter Mullin irgendwann in den Achtzigern zum ersten Mal einen 1938er Delahaye 135 MS gesehen hat, war es um den mittlerweile 69-jährigen Amerikaner geschehen. Seitdem hat er einen Faible für die flotten Franzosen aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, als die Autos von Bugatti, Voisin, Delage und Delahaye alles in den Schatten stellten, was in England, Deutschland, Italien oder Amerika auf die Räder gestellt wurde. Und weil Mister Mullin nach Jahren in der Versicherungsindustrie nicht knausern musste, hat er in kurzer Zeit eine der weltweit größten und spektakulärsten Sammlungen französischer Klassiker zusammengetragen.

„Für mich markieren die französischen Autos der zwanziger und dreißiger Jahre die Spitze von Kunst und Design des letzten Jahrhunderts“, sagt Mullin über die rollenden Art-Deco-Skulpturen mit ihren atemberaubenden Kurven und wallenden Formen: „Eine moderne Idee, von Künstlern genau in jenem Moment in Stahl, Leder und Glas verpackt, in dem Handwerkskunst und Maschinenbau beflügelt wurden vom technischen Fortschritt und neuen Schönheitsidealen“, philosophiert der Sammler.

War der Blick auf diese PS-Pretiosen bis vor kurzem nur den Besuchern von hochdotierten Oldtimerveranstaltungen und Mullins engsten Freunden vorbehalten, hat er zumindest einen kleinen Teil seiner Sammlung nun fürs breite Publikum geöffnet. Im Mullin Automotive Museum in Oxnard vor den Toren von Los Angeles, das allerdings nur auf Voranmeldung zu besichtigen ist, stehen deshalb seit diesem Sommer mehr Bugatti und andere französische Schmuckstücke als in jedem anderen Automobilmuseum der Welt.

Selbst das teuerste Auto der Welt war dort viele Wochen zu Gast. Denn auf dem großen Drehteller in der Mitte der zweistöckigen Halle glänzte bis kurz vor Weihnachten noch das 57SC Atlantic Coupé von 1936, das im Mai letzten Jahres (2010) für einen Schätzpreis zwischen 30 und 40 Millionen Dollar den Besitzer gewechselt hat. Viel genauer lässt sich der Wert des Wagens nicht ermitteln, und wem das atemberaubend schöne Coupé jetzt gehört, will Kurator Andrew Reilly auch nicht verraten. „Es war eine Leihgabe“, ist das einzige, was er sich entlocken lässt. Ob es vielleicht doch Peter Mullin gehört? Ob es schon im Frühjahr wieder ausgestellt wird? „Kein Kommentar, mehr sagen wir dazu nicht.“

Natürlich ist das schade, doch hat die Sammlung so viele andere Glanzlichter zu bieten, dass es auf einen Bugatti mehr oder weniger kaum ankommt. So glänzen in der Atmosphäre eines historischen Automobilsalons nicht nur drei Dutzend prunkvolle Cabrios, Limousinen und Roadster im Licht der großen Deckenfluter. Sondern in der Galerie eine Etage höher hat Mullin auch die komplette Startaufstellung eines Le Mans-Rennens aus den dreißiger Jahren aufgebaut – samt der zeitgenössischen Boxengasse. Im Feld stehen nicht nur legendäre Autos wie der vom tschechischen Rennfahrer Zdenek Pohl wiederaufgebaute Bugatti Typ 54, mit dem Prinz Georg Lobkowitz 1932 auf der Berliner Avus sein Leben verlor – oder ein schwarz-weißer Voisin C27 Aerosport von 1934. Sondern in der Pole Position parkt auch das schnellste Auto seiner Zeit: Der Delahaye T145 GP von 1937, der sogar den deutschen Silberpfeilen in die Parade fahren konnte. „Dieses Auto wurde bei Kriegsbeginn zum Schutz vor den Deutschen in Einzelteile zerlegt und dann leider so gut versteckt, dass es viele Jahre als verschollen galt“, erzählt Kurator Reilly. Erst Peter Mullin ist es offenbar gelungen, alle Teile des Puzzles zusammenzusetzen und den Wagen wieder aufzubauen.

Das gleiche Schicksal teilt das Delahaye Typ 165 Cabriolet eine Etage tiefer. Er wurde 1939 für die Weltausstellung in New York gebaut und so spät fertig, dass ihn die Franzosen ohne seinen Zwölfzylinder über den Atlantik verschifft haben. Weil der Krieg den Rückweg verhinderte, blieb das Auto in Amerika, bekam dort einen V8-Motor von Cadillac und verschwand irgendwann in der Versenkung. „Auch hier was es Peter Mullin, der nicht nur den Wagen, sondern ausgerechnet in Deutschland auch den Originalmotor aufgespürt hat“, sagt Reilly voller Stolz.

Nicht ganz so viel Glück hatte der Bugatti T22 von 1925, der zu den schaurigsten und trotzdem spektakulärsten Autos in der Sammlung zählt: Im Streit um Zoll und Spielschulden von den Schweizer Behörden im Lago Maggiore versenkt, wurde er in mehr als 50 Jahren zum vermutlich teuersten Wrack der Welt – nicht umsonst hat Mullin für den im Frühjahr 2010 gehobenen und dann für wohltätige Zwecke versteigerten Edelschrott über 300.000 Dollar bezahlt. Der rostige Roadster ist neben ein paar wenigen unrestaurierten Scheunenfunden und einigen vom Zahn der Zeit kräftig angenagten Übernahmen das einzige von Mullins Autos, das über die Jahre Patina angesetzt hat. Die meisten Fahrzeuge sehen nicht nur aus wie frisch vom Händler, sondern sind auch bestens in Schuss und werden regelmäßig gefahren, sagt Kurator Reilly. Wer ihm das nicht glaubt, dem zeigt er stolz die kleinen Ölflecken auf den Podesten, die von einem bewegten Leben der Klassiker zeugen.

Zwar hat Mullin eine ausgesprochen große Sammlung – zumal er in Oxnard nicht einmal die Hälfte seiner Autos zeigt und nebenbei auch noch genügend Art-Deco-Möbel, Gemälde, Skulpturen und andere Kunstwerke der Bugatti-Familie ausstellt. Und wahrscheinlich gibt es niemanden auf der Welt, der so viele Bugattis sein Eigen nennt, wie den US-Milliardär. Aber glücklich und zufrieden ist er damit noch nicht, räumt sein Kurator ein: „Es gibt immer etwas, das einem Sammler noch fehlt.“ Bei Mullin sind es die ganzen alten Modelle aus den Kindertagen des Automobils und ein paar neue Fahrzeuge. „Schließlich wurden in Frankreich auch nach dem Krieg noch schöne Autos gebaut.“

Fahrzeuge wie den Citroën DS oder die Renault Alpine sucht man zwar (noch) vergebens. Doch ist die Gegenwart zumindest bei Bugatti sehr Präsent. Vor den Räumlichkeiten, in denen der Sammler regelmäßig den Bugatti Club of America empfängt, parken ein paar Supersportwagen aus der Ära vor der Wiederbelebung von VW, eine Reihe von Studien, die sich Mullin bei den Niedersachsen geliehen hat, und natürlich der aktuelle Veyron. Außerdem lebt in der oberen Etage das klassische Coachbuilding weiter. „Wir hatten noch ein nacktes Fahrgestell ohne Aufbau“, erzählt Reilly. „Genau wie die Bugatti-Kunden aus den Dreißigern haben wir dafür eine individuelle Karosserie in Auftrag gegeben“, sagt er und lenkt den Blick auf die Entwürfe von Studenten des Art Center College of Los Angeles. Noch gibt es zwar nur die Bodengruppe, eine Silhouette und ein paar Ton-Modelle. „Doch wer weiß, vielleicht fährt hier in Oxnard demnächst ein ganz neuer Bugatti vor.“

Text und Fotos: Spot Press Services/Benjamin Bessinger

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