Erste Erfahrungen: Ford Focus 2011

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Eine Landstraße im Hinterland der Cote d’Azur. Eine Kurve folgt der nächsten, und in immer engeren Serpentinen schraubt sich die Route Nationale hinauf in die Seealpen. Keine Viertelstunde, schon fühlt man sich wie Rauno Aaltonen, als er im Mini die legendäre Rallye Monte Carlo gewann. Die Reifen quietschen, der Motor orgelt, der Puls rast und immer schneller jagt der Testwagen durch das Karussell mit Kiefernduft. Dabei geht es hier gar nicht um einen Sportwagen und auch nicht um eine potente Rakete für die Westentasche. Das ist vielmehr die erste Ausfahrt mit einem Auto, das verglichen mit dem Glanz von Nizza und Cannes in etwa so glamourös ist wie Warnemünde oder Sankt Peter Ording: dem neuen Ford Focus.

Doch die Kölner haben das hügelige Hinterland nicht umsonst für die Jungfernfahrt gewählt. Denn wenn der Hoffnungsträger nach einem Jahr des Vorgeplänkels im März endlich gegen den neuen Opel Astra und den vor zwei Jahren gründlich überholten VW Golf an den Start geht, dann ist es vor allem Fahrdynamik, mit der er punkten soll. Das war schon immer die Paradedisziplin des Focus, sagt Chefingenieur Helmut Reder, und jetzt haben wir noch einmal gründlich nachgelegt.

So stramm und sportlich wie bei VW allenfalls die GTI-Version schneidet der Focus deshalb durch die Kurven, klebt förmlich am Asphalt und macht jede Landstraße zur Lustmeile. Er ist handlich und agil, tänzelt leichtfüßig auch um enge Radien und vermittelt dem Fahrer jederzeit ein gutes Gefühl für die Straße. Das verdanken wir unter anderem unserer neuen elektrischen Servolenkung, sagt Reder und stöhnt noch immer, wenn er an die langwierige Abstimmung denkt. Immerhin gibt es 250 Parameter, die wir miteinander in Einklang bringen mussten. Dazu gehört auch das so genannte Torque Vectoring System, das serienmäßig eingebaut ist. Es sorgt elektronisch für mehr Drehmoment am äußeren Rad der Antriebsachse und bringt den Focus so noch schneller um die Ecke. Doch nach bald drei Jahren auf dem Prüfstand und Teststrecken in aller Welt kann Reder damit zufrieden sein – und das breite Grinsen im Gesicht der Tester gibt ihm Recht.

Während Ford beim Fahrwerk bekannte Qualitäten nur verbessern musste, hatten die Kölner in vielen anderen Disziplinen einen ordentlichen Nachholbedarf. Zum Beispiel beim Design: Beim Vorgänger haben uns viele Mutlosigkeit vorgeworfen, das wollten wir nicht auf uns sitzen lassen, sagt Reder und lenkt den Blick auf einen schnittigen Fünftürer, der bei nahezu unverändertem Format deutlich bulliger, kräftiger und kantiger geworden ist. Schon außen eine lebenslustige Alternative zur Blech gewordenen Nüchternheit des Golfs wird der Innenraum vollends zur Kampfansage an den Konkurrenten aus Wolfsburg. Zwar kommt Ford bei Materialanmutung und Verarbeitungsgüte nicht an VW heran. Doch wo der Golf innen in etwa so lebendig und farbenfroh ist wie Wolfsburg an einem verregneten Sonntag im Januar, wirkt der Focus fast wie Köln am Rosenmontag: Selbst wenn einem die zackig ins Armaturenbrett geschnittenen Instrumente oder die kantigen Lüftergitter zu wild sind und man die wechselnden Farben der Innenraumbeleuchtung für Spielerei hält, kann man Ford zumindest keine Mutlosigkeit und keine Langeweile mehr vorwerfen.

Dabei haben die Entwickler die praktischen Tugenden nicht vergessen. Bei 4,36 Metern Länge und 2,65 Metern Radstand ist die Kniefreiheit auf allen Plätzen sehr ordentlich, vorne stört nur die hohe Mittelkonsole, die Chefingenieur Reder als Ausdruck des sportlichen, fahrerorientierten Cockpits verstanden wissen will. Auch der Kofferraum geht mit 363 Litern in Ordnung, zumal es schon bald einen Viertürer mit großer Klappe und natürlich auch wieder einen Kombi geben wird.

Ebenfalls Nachholbedarf hatte Ford unter der Haube. Dort kontern die Kölner die Wolfsburger TSI-Motoren nun mit ihren neuen EcoBoost-Aggregaten: Dank Turbo und Direkteinspritzung reichen ihnen nun 1,6 Liter Hubraum für bis zu 182 PS und damit für Fahrleistungen beinahe auf GTI-Niveau. Daneben gibt es drei weitere Benziner mit 1,6 oder 2,0 Litern Hubraum und 105 bis 150 PS sowie vier Diesel, die bei identischem Hubraum ein Spektrum von 95 bis 163 PS abdecken. Wo Sportler auf bis zu 340 Nm, Sprintwerte von 7,9 Sekunden und Spitzengeschwindigkeiten von 224 km/h bauen können, will Ford nun auch die Sparer locken. Schon ganz ohne Econetic-Modell gibt es eine Reihe von Varianten mit Start-Stopp-Automatik, Energierückgewinnung, Doppelkupplungsgetriebe und variablem Kühllufteinlass. So kommt der sparsamste Benziner auf 6,0 Liter, und der beste Diesel ist mit 4,2 Litern zufrieden.

Am meisten Eindruck schindet der Focus aber mit seinem Heer an elektrischen Helfern. Der neue Focus hat so viele Assistenzsysteme, dass er nicht nur an VW und Opel vorbei zieht, sondern sogar mit Mercedes oder BMW konkurrieren kann. Denn neben einem elektronischen Blick in den toten Winkel bieten die Kölner auch eine aktive Hilfe bei der Spurführung, ein Radarsystem, das die Geschwindigkeit und den Abstand zum Vordermann konstant hält und bei Gefahren auch eine Notbremsung einleitet, eine Kamera, die Verkehrszeichen erkennt und ein System, das automatisch das Fernlicht aktiviert. Und wie eh und je gibt es natürlich auch im neuen Focus den Schusselschutz für alle jene, die an der Tankstelle gerne mal zur falschen Zapfpistole greifen.

Das alles lassen sich die Kölner allerdings auch gut bezahlen: Auf dem Papier kostet der neue Focus mit einem Einstiegspreis von 17.850 Euro zwar nur ein paar hundert Euro mehr als der Alte. Doch weil der billige Dreitürer zunächst fehlt, muss man real gleich 1.100 Euro mehr bezahlen.

Text: Spot Press Services/Benjamin Bessinger
Fotos: Ford/SPS

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