SP-X/Hockenheim. Vor etwas mehr als einem Jahr stellte Saab das Top-Modell der Marke, den neuen 9-5, auf der IAA in Frankfurt vor. Jetzt kommt der Schwede so langsam in den Handel. Wie man mit schleudernden Autos umgeht, können dieser Tage die Saab-Händler ihren Kunden auf dem Hockenheimring vorführen. Ob der 9-5 zur Stabilisierung einer schlingernden Marke taugt, ist allerdings fraglich.
Die lange Limousine ist nicht unschick und erinnert in Details, wie etwa an der A-Säule, an frühere Saab-Modelle. Allerdings sind die Proportionen nicht unbedingt harmonisch. Das muss man von Saab auch nicht erwarten, schließlich war die Lieblingsmarke der gymnasialen Erdkundelehrer schon immer für ihre Schrulligkeiten berühmt. Die hat man auch dem 9-5 nicht vorenthalten. So findet sich schräg hinter dem Automatikwählhebel der Startknopf für den Motor. Früher war die Schonung des Fahrerknies bei einem etwaigen Unfall das Argument für die ungewöhnliche Platzierung des Zündschlüssels. In Zeiten schlüsselloser Bediensysteme ist das natürlich kein Grund mehr, aber die Tradition des Startens zwischen den Sitzen ist ja auch ganz nett. Charakter nennt man das wohl.
Der Schwede teilt sich die technischen Gene mit dem Opel Insignia, kaschiert die Verwandtschaft aber durch die lange Form, die den Opel immerhin um 18 Zentimeter übertrifft. Dafür sitzt man hinten besser als im Rüsselsheimer Cousin, vorausgesetzt man ist nicht allzu lang gewachsen. Dann nämlich fällt einem gewissermaßen der Dachhimmel auf den Kopf. Immerhin ist der Knieraum außergewöhnlich großzügig. Vorne hat man davon Abstand genommen, das Armaturenbrett des Insignia 1:1 zu übernehmen. An der Vielzahl unübersichtlicher, sich ähnelnder Schalter hat man aber festgehalten, nur eben anders sortiert.
Die Armaturen wirken nachgerade sportlich mit einem großen, zentralen Tacho, der auch die Daten des Bordcomputers anzeigt. Als kleines Schmankerl gibt es ein gut ablesbares Headup-Display.
Technisch war Saab immer für Turbomotoren berühmt. Die hat natürlich auch der 9-5 zu bieten. Das Volumenmodell dürfte der 2.0 T sein, der es auf 162 kW/220 PS bringt. Saab gibt einen Normverbrauch von 9,4 Litern an. Der Bordcomputer zeigte im Langzeitmodus Werte um 12 Liter an, was dem Alltagsgebrauch einer Limousine dieses Kalibers wohl eher entspricht. Der Motor ist, wie überhaupt die meiste Technik, altbekannt. Der Vierzylinder geht vernehmlich seinem Job nach. Unter Last klingt er etwas rau. Das kommt häufiger vor, als man annehmen möchte, weil die Sechsstufen-Automatik Kickdownbefehle mit flotten Gangwechseln quittiert. Dann zerren 350 Newtonmeter mächtig an der Vorderachse, eine Unsitte, die man von Premiumwettbewerbern nicht mehr kennt.
Apropos Premium. Der Saab spielt mit seiner Länge und seiner Ausstattung ganz klar in der Audi-BMW-Mercedes-Liga. In Sachen Fahrkomfort kann er den Deutschen Platzhirschen aber nicht das Wasser reichen. Lange Bodenwellen nickt er weich und etwas zu schaukelig weg, Querrinnen sind ihm ein Graus. Die werden vom Fahrwerk nicht geschluckt, sondern polternd kommentiert. Besonders handlich ist der lange Schwede auch nicht. Frontantriebsbedingt ist der Wendekreis relativ groß, was das Einparken nicht eben erleichtert. Weil die Karosse zudem eher unübersichtlich ist, sind akustische Warner Pflicht. Besser wären Kameras rundum.
Die von uns bewegte Aero-Version ist das Topmodell der Baureihe. Im Basispreis von 48.900 Euro für den 2,0 Liter mit Automatik sind unter anderem Lederpolster, 19-Zoll-Felgen, Bi-Xenonscheinwerfer und ein Soundsystem serienmäßig eingebaut. Vom Navi bis zum multimedialen Kinderbespaßungssystem für die Rücksitze ist vieles optional lieferbar, was den Saab-Fahrer erfreuen könnte. Dieser zeichnete sich früher durch sein Anders-Sein aus. Das könnte er mit dem 9-5 erneut zelebrieren. Kunden von aktuellen Premiummarken wird der Schwede aber noch nicht überzeugen können.
Text: Spot Press Services/Günter Weigel
Fotos: Saab