Rallye-WM in Deutschland: Röhrls schweres Erbe

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Deutschland, einig Rallye-Land: Als Walter Röhrl mit Co. Christian Geistdörfer Ende der 70er- und zu Beginn der 80er-Jahre die berühmt-berüchtigte „Monte“ auf Schnee und Eis gewann und die WM beherrschte, waren die „Könige auf Schotter und Asphalt“ richtige Helden in ihren fliegenden Kisten. Vor dem deutschen Lauf zur Rallye-Weltmeisterschaft vom 19. bis 22. August rund um die Moselhauptstadt Trier aber, stellt sich erneut die Frage: „Wo sind Röhrls Erben“? Die Beispiele Aaron Burkart und Hermann Gassner jr. sollen darüber Aufschluss geben.

Aaron Burkart ist ein überaus talentierter junger deutscher Rallyefahrer. Sein Talent reicht momentan sogar dazu aus, dass er die sogenannte JWRC, die Junior-Rallyeweltmeisterschaft, anführt. Der mittlerweile 27-Jährige macht als Werksfahrer für Suzuki Sport Europe mit Stamm-Beifahrer Andre Kachel einen Klassejob, fährt sich „das Hemd aus der Hose. Indes: Notiz davon nimmt hierzulande kaum jemand davon. Woran liegt das?

In Deutschland haben die Autobauer, die sportliche Modelle produzieren, und das ihren Kunden auch vorführen wollen, ein Orientierungsproblem. BMW hat sich aus der Formel 1 zurückgezogen. Zu teuer. Opel hat mit Beginn des wirtschaftlichen Überlebenskampfes die DTM verlassen. Kein Geld mehr. Auch anderen Autobauern, hauptsächlich aus Fernost, geht es nicht anders: Mitsubishi, Subaru und Suzuki haben der Rallye-WM entweder vollständig „Adieu“ gesagt oder erheblich „abgespeckt“. Da ist es auch für deutsche Fahrer, mögen sie noch so talentiert sein, schwierig, ohne Mitgift einen Platz im Kreis der Besten zu finden. Ohne Moos ist auch hier nix los.

Lorenza Bellini, Managerin des gebürtigen Singeners Burkart, weiß um die besonderen Umstände: „Aaron fährt insgesamt fünf WM-Läufe, ist aber auch in die technische Entwicklung des Teams eingebunden.“ Eine „Kooperation mit beiderseitigem Nutzen“ sei das. Um aber einen Vertrag als Werksfahrer bei den WM-Dominatoren Ford oder Citroën zu erhalten, müsste Burkart, ähnlich wie der französische Shootingstar Sébastien Ogier, fast schon Übermenschliches leisten. In Frankreich aber werden junge Talente schon im Alter von 15 Jahren systematisch von Klubs und nationalem Dachverband gefördert. In Deutschland wird – mangels Option – meist der Einstiegsweg über das Kart eingeschlagen.

Ähnliche Erfahrungen macht Hermann Gassner Junior. Der junge Mann (21) war wie der Vater schon Deutscher Rallyemeister. Viel mehr als heftiges Schultern klopfen und anerkennende Worte aber hat ihm das bis jetzt nicht gebracht. Um für die Deutschland-Rallye optimal gerüstet zu sein, konzentrierte er sich in den vergangenen Wochen nach einem Testlauf auf dem Nürburgring und in Österreich wieder vermehrt auf sein Asphaltkönnen.

Momentan profitiert der junge Mann aus dem bayerischen Surheim von der „ADAC Stiftung Sport.“ Im Mitsubishi Lancer Evo IX fährt er seine ersten fünf WM-Läufe, einen weiteren spendierte im das Red Bull Team. Gassner ist mit Stamm-Copilotin Kathi Wüstenhagen lern- und wissbegierig. Sein Teamchef Reimund („Mundl“) Baumschlager, selbst ein erfahrener WP-Reiter, weiß, dass der Weg nach oben weit ist: „Wer lernt, muss auch Fehler machen dürfen. Aber er muss den Kopf frei haben und nicht daran denken, Material zu „verbrennen“ und dann aus dem Team zu fliegen.“

Das ist die Crux der durchaus vorhandenen Nachwuchskönner im deutschen Rallyesport. Den Spagat zwischen vorhandenem Budget und notwendigem Risiko im Einsatz zu beherrschen. Und damit möglichst auf sich aufmerksam zu machen. Röhrls Erben haben es im Jahr 2010 nicht leicht. Denn die meisten Sponsoren zieht es eher im Lackschuh an die Rundstrecke, statt in den Gummistiefeln an die Wertungsprüfung. Leider.

Text und Fotos: Jürgen C. Braun

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